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Über die virtuelle Welt

Lesezeit: ca. 8 Minuten

1982 kam der Film „Tron“ ins deutsche Kino (Woher weiß eigentlich das Kino, dass es deutsch ist?).
Der Film zeigte in beeindruckenden Bildern, zu was damalig präsentierte Computertechnik im Stande war.
Sichtlich ging es darum, so etwas wie neue Welten zu bauen und zu visualisieren.

Im Umfeld hieß es nur gewohnt: „Das braucht doch kein Mensch!“
Das wiederum hielt mich nicht davon ab, mich weiter damit zu beschäftigen.

Es dauert noch sechs Jahre, bis ich mir einen Computer zulegte, mit dem ich erste „3D-Schritte“ gehen konnte.
Kurz davor hatte ich noch James. A. Micheners „Sternenjäger“ gelesen. Ein Kapitel hieß – wie ich mich heute daran erinnern kann – „Echtzeit“.

Für die ersten 3D-Animationen bedurfte es dann „echt Zeit.“
So wuchs meine Ausrüstung in Richtung Turbokarte 68040er Prozessor mit 30 MHz und insgesamt 24 MB Arbeitsspeicher sowie reichlich SCSI-Festplatten, um die entstandenen Daten speichern zu können. Das war in 1991.

Ab 1997 wuchs das Ganze zu einer Agentur heran. In 2002 realisierte ich gemeinsam mit meinen damaligen Kollegen eine virtuelle Dorfkernerneuerung mit VRML.

Die Agentur „löste sich“ ca. 2008 wieder (geworden) auf und ging in die neue Aufgabe „Betrachtung der alten und neuen Weltordnung“ über.

Das war auch die Zeit, wo ich mich auch dazu entschloss, keine neue Software und keine neue Hardware mehr anzuschaffen. Seit 2006/8 benutze ich einen Rechner mit XP und Programmen aus dieser Zeit.

Sichtlich reichen die Gerätschaften auch heute noch für das Schreiben von Texten, gewohnte E-Mailkommunikation, gerenderte Beitragsbilder für meinen Blog, Konstruktionen für den 3D-Druck, Satz von aller Arten von Drucksachen sowie Gestaltung von Corporate Designs und Internetseiten. Ein Hobby.

Wenn ich heute schaue, hat sich mit VR (Virtual Reality) eine Art „Welt“ entwickelt, in die sich immer mehr Menschen „hineinbegeben“ und weniger an jener Realität interessiert sind, die sie direkt betrifft.

Dass die Gesellschaft vor fundamentalen Veränderungen steht, kann man daran erkennen, dass Gruppen von Menschen an einer Bushaltestelle stehen und in diese Kisten glotzen, während man zu vergessen haben scheint, seinem Gegenüber ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken. Die maximale Unterteilung der Gesellschaft ist dann erreicht, wenn die reale Kommunikation verstummt und durch Technik überlagert wird.

Verständlich hat Technik nicht nur Nachteile. Denn sie ist letztlich nur, was sie ist. Doch was nutzt es, wenn sich der Kommunikationspartner hundert Kilometer von einem entfernt befindet und nur das hören will, was ihm gefällt.

Die Lebendigkeit des Menschen entweicht mit seinen glänzenden Kinderaugen in die virtuelle Welt, die für so manchen zu seiner neuen Heimat geworden ist, die in der Mehrheit jedoch nicht von ihm gemacht, sondern nur genutzt wird. Die eigentlichen Entwicklung steht dem Menschen also noch bevor.

Auf diese Weise wird er zum Nutzer degradiert (oder degradiert sich selbst), während man ihm kleine Apps zum Herunterladen zur Verfügung stellt. Wie sich das Auge an der bunten Welt (seiner Kindheit) erfreut, während der Mensch der Realität und ihren Unzulänglichkeiten zwischen dem neuesten Tool und einem noch hochauflösenderen Fernsehbildschirm wohl kaum noch Aufmerksamkeit schenken mag.

So entpuppt sich die Virtualität als Fluchtmöglichkeit vor den wesentlichen Aufgaben des Individuums und somit der Gesellschaft als Ganzes. Jene Aufgabe, die über das gewohnte „Geld verdienen“, Besitz, Hab und Gut anzuhäufen, zu sichern und gegen Verlust zu verteidigen, hinausgeht: sich eigenständig, eigenverantwortlich und selbst entschlossen im Inneren zu entfalten. Noch ist ihm der Wert im Außen wichtiger als er sich selbst.

Die Gesellschaft in ihrer aktuellen Lebensweise steht vor einem Umbruch, dem sie mit noch soviel Unterhaltung und Ablenkung, noch mehr Effekthaschereien und mittlerweile auch Märchenstunden in den Medien und Nachrichten nicht entgehen kann.

Es zeigt sich, dass sich der Mensch in seinen gewohnten Programmierungen immer weiter von sich selbst entfernt hat – sich dabei selbst entfremdete. Ein Weg, den er zu gehen hat, bis er erkennt, wovon es sich selbst abwandte.

„Mehrheit ist kein Garant für Richtigkeit, sondern nur für Mehrheit.“

Es sind jene Programmierungen, die den Menschen nicht nur so, wahrnehmen, denken und handeln lassen, sondern gleichzeitig auch jene, die für den aktuellen Zustand in dieser Welt verantwortlich zeichnen – selbst dann, wenn er sich noch so als objektives und unschuldiges Opfer darzustellen versucht.
Was er oder Generationen vor ihm gesät wurde, wird nun in der Realität geerntet, siehe Wegfall der Grenzen und gekaufte Einladung der Massen aus dem „Ausland“. Denn auch das waren nur Fiktionen.

Zurück zum Thema. Auf der anderen Seite ermöglicht die Technologie auf beeindruckende Weise, Realität und Virtualität visuell miteinander zu verschmelzen, was wiederum dem ungeübten Auge es schwer fallen lässt, zwischen „tatsächlich“ und „scheinbar“ zu unterscheiden, was sichtlich auch zur Manipulation genutzt werden kann. Unter-Haltung ist die Devise und der Konsument findet es prima. Bedarf und Deckung konkludent geglückt.

„Alles geschieht nach Eurem Glauben.“

Eine Manipulation, die auch nur solange funktioniert, wie der sie erlebende Mensch sie nicht hinterfragt – besser: sich selbst nicht hinterfragt, warum er denn „manipulierbar“ erscheint.

Die Realität dabei so echt wie möglich nachstellen zu wollen erscheint als eine Hauptanstrengung.
Es stellt sich mir dabei die Frage, warum man Sushi in seinem Aussehen erst so perfekt nachstellen muss, damit man sich nachher echtes Sushi leisten kann.
Oder man schlüpft in eine Rolle (Avatar), kauft virtuelle Produkte, die mit einer virtuellen Währung bezahlt werden, die jedoch mit dem Geld der Realität umgetauscht wurde. Ein Geschäftsmodell  wie auch ein gesellschaftliches Sanctuarium.

Virtualität: Ein Ort, wo man versucht, sich der Materie auf Abwegen entledigen zu wollen.

Der Mensch selbst ist seit Anbeginn seiner Existenz seiner neuen Realität so nahe und gleichzeitig doch so fern, solange er von seinen unhinterfragten Denk- und Verhaltensmustern „gelenkt“ wird.

Der Regisseur Steven Spielberg weist zum Ende des Films „Ready Player One“ eindrücklich darauf hin, worum es im Kern geht:

„Die Leute müssen mehr Zeit in der Realität verbringen. Denn, wie Halliyday sagte: Die Realität ist das einzige, was real ist.“