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Wer blickt da noch durch?

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Keine Frage, die deutsche Wirtschaft brummt wie zu Zeiten Ludwig Erhards. Alles scheint in bester Ordnung. High-Tech ist in. Die Kauflust der Verbraucher nahezu grenzenlos. Immer kürzere Innovationszyklen zeigen Kraft und Ideenreichtum. Deutsche Wertarbeit scheint unschlagbar.

Der Mangel wertschöpfender Arbeitskräfte wächst zusehends.

Allerdings auch die Zahl der Opfer, die den Anforderungen (Druck, Tempo, irreale Ordnungsprinzipen) nicht mehr gewachsen sind.

Es werden täglich mehr, denn Ordnungsgrundlagen (Organisation) wie wir sie zur Bewältigung auf uns zu kommender Lasten zwingend brauchen, sucht man vergebens.

Zudem häufen sich Qualitätsmängel: Kfz.- Rückrufe und Transrapiddramen in China, ungewöhnliche Terminverzögerungen im Flug- und Schienenfahr-zeugbau nehmen ständig zu.

Insgesamt Signale, mit denen gleich mehrere Fragen verbunden sind: „Sind wir trotz aller Erfolge nicht in mehr der Lage Qualität zu liefern, die man von uns als selbstverständlich erwartet?

Reichen hierarchische Unternehmensstrukturen nicht mehr aus, um globalen Ansprüchen zu genügen?

Wo geht die Reise hin? Was wird aus „Made in Germany“? Wie und durch was können wir dem voraussehbaren Blackout entkommen? Welche Lösungen sind kurzfristig verfügbar?

Wer und was, hat uns in die aktuelle Konfliktsituation manövriert, was wollte uns René Descartes, franz. Mathematiker, Naturforscher und Philo-soph (1596 bis 1650) durch seine „Theorien“ übermitteln?

Descartes entwickelte die Methode des analytischen Denkens, bei der komplexe Systeme in einzelne Teile zerlegt werden, um das Verhalten des Ganzen aus den Eigenschaften seiner Teile zu verstehen. Für ihn bestanden das materielle Universum – und alles Irdische – aus einer Maschine, die sich nur dann vollständig verstehen ließ, wenn man sie im Hinblick auf ihre kleinsten Teile untersuchte.

Seine Theorie wurde zur beherrschenden Metapher einer noch heute das Denken prägende, wissenschaftlichen Revolution.

Frederik Vester kommentiert in seinem Buch „Denken, Lernen, Vergessen“ zum Thema:

„So nützlich und lebenserhaltend die bisherige Art des Wissen für die Vergangenheit gewesen sein mag, neuere Erfahrungen zeigen, dass es nicht ausreicht, uns aus der aktuellen Konfliktsituation herauszuführen, denn zeitgemäßes Lernen geht an der Wirklichkeit des Lebens vorbei, und was wir als Leben wahrnehmen, ist von Menschen erzeugte Enge innerhalb künstlich erzeugter Grenzen.“

Aussagen, die ich aufgrund meiner vierzigjährigen Praxis als Beratergeneralist und Systemgestalter grundsätzlich bestätigen kann.

Eine Kollegin aus den USA erklärte mir im Verlauf eines Telefonates: (…) „Sie sind einer der großen Fünf weltweit, der sich mit ganzheitlich ökonomischer Neuorientierung exzellent auskennt. (…) Halten sie ihr Gedankengut fest, es geht sonst für immer verloren. Bedauerlich, dass Sie für uns nicht tätig werden können.“

Daraus folgt: Wollen Ökonomen im globalen Wettbewerb auf Dauer überleben, müssen sie sich auf neue Lösungsmuster einstellen:

bildungWeg vom der Unbeweglichkeit und zunehmenden Enge kartesianischen Kästchendenkens, (Grafik: A bis J), hin zum Denken und Handeln in dynamisch vernetzten Beziehungsmustern.

Denn in konventionell hierarchischen Strukturen sind alle Bereiche (A bis J) ausschließlich darauf ausgerichtet, ihre eigenen Probleme nach bestem Wissen und Gewissen auszuloten. Von vernetzter Zielorientierung und synergetischem Denken und Handeln keine Spur.

All das wird gesteuert und „akribisch überwacht“ durch Führungs- und Stabsstellen, endlose Meetings (als Organisationsersatz), Laborieren an Symptomen, Unmengen an Mails und Schuldzuweisungen, Emotionen und Spannungen satt.

VW und andere Konzerne lösen inzwischen ihre Probleme durch Massenentlassungen – jüngste Ereignisse: Pressemitteilung im März 2016 unter dem Titel: „Volkswagen streicht 3.000 Stellen in der Verwaltung“.

Andere warten ab, weil sie sich in der Arena ambivalenter Angebote noch nicht festlegen wollen.

Wieder andere fragen sich hinsichtlich ganzheitlich orientierter Lösungsmuster: „Das was sie (H. Schubäus) erreicht haben ist schön und gut, lässt sich das im nach hinein auch heute verwirklichen? Vieles hat sich doch durch IT-Präsenzen von selbst erledigt!“

Als ich 1974 eine der ersten organisatorisch-datentechnischen Lösungen in der Trikotagenbranche realisierte, erreichten wir Antwortzeiten von 1 bis 2 Tagen. Heute erledigen das moderne IT-Systeme in Millisekunden.
Dieser Vorteil entsteht gesamt gesehen nur dann, wenn das gesamte Umfeld harmonisch aufeinander abgestimmt ist.

schimo80 bis 90% aller Prozesse (heute noch Abteilungen) betrachte ich weder als Störfaktoren, noch Prozess behindernd. Sie werden im Zuge der Neuordnung in teamorientierte Regelkreise (Grafik A, B und C) umgewandelt.

So werden Abteilungen in Prozesse umgewandelt:

  • Kunden umwerben,
  • Modelle entwickeln, erforschen und konstruieren,
  • Gebrauchswert, Funktionalität und Design dem Kundengeschmack anpassen,
  • Kundenaufträge be- und verarbeiten,
  • Waren, Teile und Material disponieren und beschaffen,
  • Wareneingänge kontrollieren, erfassen und einlagern,
  • Bestände führen, bereitstellen und fördern,
  • Teile, Baugruppen und Erzeugnisse fertigen und montieren, steuern, überwachen, verpacken und verladen,
  • ausliefern und abrechnen,
  • Vorrichtungen und Werkzeuge herstellen, beschaffen und pflegen, Mobilien und Immobilien reparieren, instand halten und pflegen,

die Zweck- und Zielorientierung der Unternehmen (Grafik Seite 3, Möbel-großhandel) ändert sich nur marginal.

Sorgfältig aufeinander abgestimmt entstehen so:

  • ungehindert fließenden Prozesse,
  • Team- und Aufgaben orientierte Funktionsbereiche (Grafik A, B und C),
  • dynamisch vernetzten Daten-, Informations- und Kommunikationsstrukturen und
  • friedvoll, hocheffektives Miteinander aller am Prozessgeschehen Beteiligter durch: Konzentration, Achtsamkeit, Zielorientierung, Disziplin, Können und Begeisterung.

All das hat sich in technologisch überfrachteten Altstrukturen selbst in „Fachkreisen“ noch nicht herumgesprochen.

Denn wie Jahrzehnte lange Praxis (Schubäus) und Systemwissenschaftler (u. a. Geoffrey Chews und seine Bootstrap-Philosophie) zeigen, haben die Eigenschaften der Teile (wie Descartes sie definiert) keine ihnen selbst innewohnenden Eigenschaften, sondern lassen sich nur im Kontext des größeren Ganzen verstehen.

Wie in der Natur gibt es auch im Gedankengut ganzheitlichen Denkens nur Netzwerke, die in anderen Netzwerken nisten.

Somit ist Systemdenken gleichzeitig auch Prozessdenken, denn in der Systemwissenschaft wird jede Struktur als Manifestation von zugrunde lie-genden Prozessen angesehen.

Zu den bisher ungelösten Problemen kommen neue, nicht zu unterschätzende hinzu: „Unsicherheiten und Ungewissheit in Bezug auf die Transformation digitaler Technologien!“

Darstellt im Handelsblatt vom 6. September 2015 unter dem Titel „Die falschen Propheten aus dem Silicon Valley„:

„Digitale Technologien, Robotik, die Nutzung großer Datenmengen (Big Data – Cloud), deren weltweite Vernetzung, sowie die  künstliche Intel-ligenz, verändern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und unser Privatleben radikal.

Menschenleere Fabriken und neue Technologien verheißen ungeheuere Produktivitäten; immer im Dienst einer vermutlich guten Sache und zum Wohle aller Menschen!“

 Keine Frage, ob die Menschen das auch wollen!

 All das hat es vor nicht allzu langer Zeit schon einmal gegeben. Selbstherrlich und überheblich priesen bereits um 1995 New Ökonomen ihre Wundermittel in Form von CIM (Computerintegrierte Fertigung) an.
Hat nicht lange gedauert. Die Unternehmen, die als Versuchskaninchen teilnahmen, haben jedoch eine Menge Federn lassen müssen. Ihnen haben die Experimente Energien, viel Geld und Zeit gekostet und nichts gebracht. Manche haben die Tortour nicht überlebt.

So ein Schwermaschinenkonglomerat. Durch jahrelanges Experimentieren versuchten bis zu 18 externe Implementierungsberater durch Einführung von Softwarestandards die unüberschaubare Vielzahl von Konfliktherden in den Produktbereichen: Walzewerke, Ölmaschinen und Portalkräne neu zuordnen.

Statt Probleme zu lösen nahmen die Probleme ständig zu, statt Kosten zu reduzieren entstanden zunehmend neue.

„Wir sind auf dem Weltmarkt mit unseren Produkten um 50% zu teuer“, so die Vertriebsleitung. „Das kriegen wir schon hin“, so die IT-Experten.

Versehen mit einer Tarnidentität (der Auftraggeber wird nicht genannt) bestand meine (Schubäus) Aufgabe darin, das Ungleichgewicht zwischen horrenden Ausgaben und kaum erkennbaren Ergebnissen zu eruieren mit dem Resultat:

Die Aufwendungen für 850 Konstrukteure und mehr als 220 Fertigungs- und Montagevorbereiter allein im Walzwerksbau, weisen mehr als deutlich darauf hin, das an dieser Stelle erst einmal Maßnahmen zur organisatorischen Neuorientierung stattfinden müssen.

Allein am Beispiel Werksnormung (an 70 bis 80% aller Teile und Baugruppen möglich) wird deutlich, dass nach der Neuorientierung 35 Konstrukteure und 20 Fertigungsvorbereiter ausreichen, um Produkte zu Weltmarktpreisen herzustellen.

Die gesamte Führungsmannschaft stimmte den Vorschlägen zu. Es kam Abschlussgespräch vor der versammelten Führungsriege und zum Eklat: Die  Konstruktionselite legte lautstark Proteste ein.

Mein Einwand: Wenn sie alles so lassen wie es ist, gehen hier in Kürze alle Lichter aus!

Wenige Monate später standen 17.000 Betriebsangehörige auf der Strasse.

Problematische Unternehmensstrukturen werden – wie eine Vielzahl anderer Beispiele zeigen – durch IT Standards nur ganz selten den Anforderungen globaler Wettbewerber angepasst.

Daran wird sich auch solange nichts ändern, bis man sich damit beschäftigt, die gewöhnlich getrennt gehandhabten Funktions- , Informations- und Kommunikations- und Prozessstrukturen schrittweise zu einem wirksamen Ganzen zu verweben.

Wenn Sie mehr über die Thematik wissen wollen, wenden Sie sich an Herrn Berg: 0177 172 4806 oder per E-Mail unter: a.berg@schubaeusmodell.de

(Petersberg, 18.03.2016, Karl Heinz Schubäus)

Quelle: Schubäus Modell