Zeitgemäße Ausbildung in Zeiten globalen Wandels

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http://tinyurl.com/4p3vvth (FAZ)

Sicher können es die einzelnen nicht merh hören. Sohn oder Tochter machen ihre Hausaufgaben zum wiederholten Male nicht. Der Druck ist hoch, und die Erwartungen von allen Seiten auch. Schließlich will man ja, dass der/die Gute einen guten Arbeitsplatz hat oder gar eine tolle Karriere macht. Jedoch tendieren wir in eine Zeit, in der Karriermachen ein ausklingender Anlass ist.

Ich nehme dies zum Anlass, um einige Gedanken darzulegen, die mit Lernen, Veränderung und Anpassung (die alle betreffen) zu tun haben.

Briefe an die Eltern beispielsweise, sie erzielen nicht die Wirkung, die sich die Schreiber zu erwarten hoffen. Sie forcieren nur weiter die Unruhe – auf die ich später kommen werde. Denn es sind die Kinder, die die Verantwortung für die Aufgabe tragen: Hausaufgaben machen, (gute) Noten schreiben, insgesamt also: lernen. Mehr bedarf es nicht.

Mein Sohn sagte vor geraumer Zeit selbst zu meiner Frau gesagt: „Mama, wenn ich keine Hausaufgaben mache, muss ich die Konsequenzen dafür tragen.“ Mit dieser Aussage ist das Wesentliche, was man von einem Menschen in der Gesellschaft erwarten kann, erreicht: Ein Mensch, der für sein Handeln in seiner aktuellen Aufgabe Verantwortung übernimmt. Das ist das, was man als einen wahren Erfolg verbuchen kann.Das muss allen bewusst sein: Jeder ist für sein eigenes Handeln und die Situation in der er sich bewegt selbst verantwortlich. Es gibt keine „anderen“ Schuldigen oder wo man die Schuld hinschieben kann.

Wenn Schüler in der Zukunft die Hausaufgaben nicht machen, dann bleibt nur das Gespräch auf partnerschaftlicher Ebene, denn dies ist der vernünftige Weg miteinander zu kommunizieren und nicht über einen.

Denn hierarchische Systeme haben keine Zukunft. Das hängt mit der Globalisierung zusammen, die mehrheitlich vorhandene Regelprinzipien unwirksam macht, auflöst. Was folgt, ist selbstgemachtes Durcheinander, weil mehrheitlich Wissen und funktionelle Regelprinzipien zur Anpassung noch fehlen.

Grundsätzlich sollte den Schülern vermittelt werden, warum und in welchem größeren Zusammenhang Lernen stattfindet. Wenn man diesen Bezug herstellt, hat man eine ganz andere Vorstellung von seiner eigenen Aufgabe und warum man dies alles macht und gleichzeitig erkennt man die Sinnlosigkeit einiger Themen.

Das mag nun klingen, als ob dies erst im späteren Leben, verbunden mit Erfahrung, erkennbar wird. Doch vor einigen Jahren durfte ich einen jungen Menschen treffen, der dies alles bereits erkannt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war er sechzehn Jahre. Mit dem Alter hat dies also nichts zu tun.

Zum Thema „Verantwortung der Eltern“ heißt dies nicht, dass Eltern sich davor drücken. Ganz im Gegenteil. Was wir brauchen sind Menschen, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Und jeder trägt Verantwortung. Verantwortung für sein! eigenes Handeln. Das kann er auch nicht abgeben oder „wegwählen“. Doch wird kollektiv die „Abgabe“ gelernt und als normal empfunden. So entstehen durch Polarisierung ungewollt die Strukturen, die wiederum zu den bekannten Unzulänglichkeiten führen.

Was zurückbleibt, ist Macht- und Verantwortungslosigkeit des Einzelnen. Ein falsch gelerntes Verhalten, was zu den Problemen führt, mit denen wir es heute zu tun haben und nur ein Verhalten, was auf den Prüfstand muss. Verantwortung zu tragen, lässt sich auch nicht durch Aufoktruieren „von oben“ oder noch mehr Kontrollen erreichen.

Zumal die Ursachen nicht dort zu lösen sind, wo sie für alle sicht- und fühlbar in Erscheinung treten.

—Lebenslanges Lernen und zeitgemäße Ausbildungsmuster—
Im Sinne heutiger Lehre, muss darüber Einvernehmen herrschen, dass Menschen immer lernen, nicht nur in der Schule. Es ist ein immanenter Prozess, der im Wesentlichen die Anpassungsfähigkeit des Menschen an Umfeldveränderungen gewährleistet und hier kann sich niemand davon ausschließen. Der Schüler lernt, wenn er sich als Schüler sieht. Der Schüler lernt, wenn er es vorgelebt bekommt.

Und jeder ist Schüler.

Auch ist zu erkennen, dass repetitiv vorhanden Gelerntes seine Wirksamkeit in Zeiten globaler Veränderungen verloren hat. Neue Schulformen werden daran nichts ändern.

Wer vorausschauend handelt, mag das Lernen und lebt es vor. Denn es ist Teil des Evolutionsprozesses. Wer sich dagegen stellt, stellt sich gegen universelle Grundprinzipien.

Um die zunehmende Flut (meist überflüssiger) Informationen zu bewältigen, bedarf es nicht des „Noch mehr Lernens von Inhalten“, sondern des Lernens als Prinzip: „Das Lernen zu lernen.“ Dann spielen Inhalte nur noch eine untergeordnete Rolle. Denn warum lernt man, damit man lernt, damit man sich bei Veränderungen anpassen kann.

Im Kern geht es nicht darum Dinge oder Inhalte (bspw. Geschichtsunterricht) zu verstehen, sondern Zusammenhänge – Mustererkennung. Muster, die sich in uns als Verhaltensmuster (ab)bilden, die wir dann erst erkennen, wenn sie einander ähnlich sind (Ihre Kollegen erkennen Sie nur, weil das „innere“ Bild mit dem „äußeren“ übereinstimmt, was sich über einen Lernprozess gebildet hat).

Schauen wir bspw. in die Physik, wird nach wie vor das kartesianisch-newtonsche Weltmodell gelehrt, was spätestens mit der Quantenphysik sein jähes Ende gefunden hat (siehe: Doppelspaltexperiment).

Was das heutige Bildungssystem benötigt, sind konsequent multi-sensuelle, interdisziplinär- systemische Ausbildungsmuster.

—Ursachenbetrachtung—
Veränderung und Anpassung findet nicht „lautlos“ oder „woanders“ statt, sondern hier jetzt, in diesem Moment, während Sie diese Zeilen lesen.

Das mehrheitlich wahrgenommene Chaos ist ein Zeichen fehlender Anpassungsfähigkeit, die durch ständige Anwendung des vorhandenen Wissens immer wieder zu den selben Situationen und Unzulänglichkeiten führen (siehe Krisen), gegen die wir uns gleichzeitig – wie ein Don Quichote gegen Windmühlen – zu Wehr setzen; in der Hoffnung, dass sie irgendwann verschwinden.

Die Unruhe und der mehrheitlich wahrgenommene Verfall der Werte, die seit geraumer Zeit in Schule und Gesellschaft kursieren, finden ihre Wurzeln im globalen Veränderungsprozess und der zunehmenden Ineffizienz der ökonomischen Strukturen (nachfolgend näher dargelegt). Es findet eine Neuorientierung statt. Denn das Unwohlsein, was alle befällt – sich wie ein Virus (durch Kommunikation) überträgt – ist ein Zeichen vorhandener Verhaltensmuster, die sich gegen Anpassung an „äußere“ Veränderung sträuben. Da sich kaum jemand damit beschäftigt, kann sich die Mehrheit dieses „Tamtam“ auch einfach nicht erklären.

Ich komme zu den Ursachen (nicht Symptomen) westlich geprägter Gesellschaften (nachfolgende Gedanken(absätze) stehen in Wechselwirkung). Sie sind durchnummeriert, um untereinander darauf zu verweisen.

1.0.0.0 Der Mensch lernte, Probleme überall dort lösen zu wollen, wo sie sensuell in Erscheinung treten. Durch dieses Verhaltensmuster (Bedarfsdeckungsprinzip: Bdp.) schuf er sich selbst die Komplexität, die ihm nun um die Ohren zu fliegen droht (Bezug nehmend auf Punkt 1.0.4.0: Kernfunktion der Ökonomie). Anfänglich funktionelle Organisationen degenerieren zu altersschwachen Pflegefällen. Einzig gelerntes Konzept: Mit allen (Geld)mitteln diese Strukturen aufrecht zu erhalten (was zu weiterer Verschuldung führt).

1.0.1.0 Gelerntes Bdp. findet seine Ursache in der unvollständigen Vorstellung unseres Weltbildes. Der Vorstellung, man habe es mit unabhängig voneinander existierenden Problemen und Dingen zu tun.

1.0.2.0 In Wirklichkeit haben wir es mit Zusammenhängen und dynamischen Systemen zu tun, aus denen die sinnlich wahrgenommenen „Dinge“ erst entstehen.

Einfachstes Beispiel: Denke man sich ein Haus und baue es. So schuf der Gedanke – den man nicht sehen kann – das, was wir mehrheitlich als „Realität“ wahrnehmen. Alles ist miteinander verbunden.

1.0.3.0 Mehrheitliches Handeln dreht sich durch gelerntes Bdp. nur um die Bekämpfung von Symptomen. Man kann den Protagonisten, Akteuren und „Betroffenen“ keinen Vorwurf machen, es wurde nie anders gelehrt und gelernt.

1.0.4.0 Der Kern mehrheitlichen Handelns ist ökonomischer Natur und rührt aus der Kernfunktion der Ökonomie: Gewährleistung der Lebensgrundlage einer Gesellschaft (basierend auf der Natur), durch Schaffung von Werten. Von den Werte schaffenden Strukturen leitet sich die Wirksamkeit unserer Gesellschaft sowie jedes „nicht“ Werte schöpfende System ab. Denken Sie nun an das Bdp. (1.0.0.0) und der zunehmenden Ineffizienz in den ökonomischen Systemen, dann wird klar, warum die Mehrheit mit „Bauchschmerzen“ herumläuft (siehe nicht nur Ägypten und Tunesien &c.).

1.0.5.0 Der Mensch lernt, damit er später eine Aufgabe im Sinne der Gesellschaft und für sich übernimmt. Dies tut er bestenfalls in einem ökonomischen Umfeld (Im Kern hat er die Aufgabe, das Leben an sich weiterzubringen. Durch stattfindende Veränderung, ist er in der Lage sich durch lernen anzupassen.). Die Kernaufgabe heutiger Lehre steckt somit in der Anpassung der Vorstellung unseres Weltbildes und Vermittlung zeitgemäßer Grundlagen.

Der erste Schritt zur Lösung (und auch dies muss alles gelernt und verstanden werden): Statt sich unsere Systeme als „Ansammlung“ einzelner Probleme, Dinge, Menschen (und mit der Grundeinstellung: „Das geht mich sowieso nichts an!“) usw. vorzustellen, haben wir es mit dynamisch vernetzten Beziehungsmustern, wechselseitigen Abhängigkeiten, kybernetischen, symbiotischen, synergetischen und kausalen Wirkmechanismen zu tun (insgesamt als dynamische Systeme bekannt).

Was unserer westlichen Gesellschaft fehlt, ist das Verständnis und der Umgang damit: systemisches, auch Prozessdenken genannt.

Sicher fragen Sie nun, warum ich das Ganze hier niederschreiben? Erinnern Sie sich an die Gedanken zur Kernaufgabe der Ökonomie?

Je wirksamer sie ist, desto besser für die Gesellschaft. Führen Sie sich nun die aktuelle Situation vor Augen und stellen sich der Frage: Ist dies alles etwas, was man so weiterverfolgen sollte?

Erkennen und den Ausweg können wir finden, wenn wir uns ein überholtes Paradigma vor Augen führen: Der Mensch (also das „Ich“) steht im Zentrum allen Denkens und Handelns.

Doch solange dies gilt, werden sich bekannte Ideologien, Engagements und mehrheitlich  gelerntes Wissen und Handeln als unwirksam herausstellen. Sie dienen nur der Beschäftigung mit Symptomen und führen zu den Problemen, mit denen sich alle jeden Tag kämpferisch auseinandersetzen – mit dem Gefühl, man könne ja doch nichts ändern.

Und jeder denkt: „Dies ist die Normalität.“

Grüße aus Pilgerzell
Alexander Berg