Selbstkritik

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(v1.4) 3:36 Uhr. Vielleicht werden Sie sich wundern, warum der zweiteilige Betrag über Erich Fromms „Haben oder Sein“ wieder vom Blog verschwunden ist. Im Nachgang fühlte er sich nicht wirklich gelungen an.
Ich habe ihn deshalb vom Blog heruntergenommen, weil mir klar geworden ist, dass es so einfach nicht geht. Es stimmte etwas nicht, auch wenn das Geschriebene wohl stimmte. Der Beitrag wirkte einfach nicht authentisch, was die Art des Schreibens anging.

Bei Hobbes mag das vielleicht noch gerade so gegangen sein, um darauf aufmerksam zu machen, worauf heutige Staaten (vom Menschen, auf Basis seiner gewohnten Denk- und Verhaltensmuster, geschaffene Fiktionen), die im Kern nur noch international agierende Unternehmen sind) basieren.

Sicher sind Verweise und Zitate notwendig, um einen Bezug zur Realität herzustellen, oder auf die eine oder andere Art nochmals auf etwas aufmerksam zu machen.

Dennoch sollte es nicht darin münden, dass irgendwann nur noch „Copy & Paste“ herrschen, statt gewohnt „selbst“ darüber nachzudenken.

Fromm wie auch Hobbes bestätigen im Grunde das, was an Gedanken auf diesem Blog niedergeschrieben worden ist, was ich einfach nur zum Ausdruck bringen wollte.

Ich sage dass, weil jemand vor geraumer Zeit anrief und mich fragte, wo ich das mit „Esau und Jakob“ denn abgeschrieben hätte und ich ihm darauf antwortete: Wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt, kommt man selbst drauf. Im Näheren: Es geht darum, dass der Mensch sich wieder über seine Denk- und Verhaltensmuster erhebt (Anmerkung: sein Joch ablegt), statt nur von ihnen (Jakob) beherrscht zu werden.

Was Fromm, wohl aufgrund des Standes damaliger Forschung, vermissen lässt, ist das Thema „Der Unterschied zwischen Mensch und Person“, um daraus zu folgern, dass der Mensch, der sich in der Regel jedoch für die Person (Rolle, Hülle, Maske) hält, sich so innerhalb einer von seinen Denk- und Verhaltensmustern geschaffenen Fiktion bewegt, die er nur durch Infragestellung des Systems und damit auch seiner Denk- und Verhaltensmuster überwinden kann.

Dem gewohnten Menschen ist in der Regel nur die Personenwelt bekannt, alles andere, lehnt er aufgrund der damit verbundenen Annehmlichkeiten, Wertvorstellungen usw. ab. Für die Personenwelt zählt „Alles oder Nichts“, die Vorstellung von Alternativlosigkeit und damit verbundenem Ernst usw.

„Wissen beginnt in ihren Augen mit der Erkenntnis der Täuschungen durch die Wahrnehmungen unseres sogenannten gesunden Menschenverstandes; nicht nur in dem Sinn, dass unser Bild der physischen Realität nicht der „tatsächlichen Wirklichkeit“ entspricht, sondern insbesondere in dem Sinn, dass die meisten Menschen halb wachen und halb träumen und nicht gewahr sind, dass das meiste dessen, was sie für wahr und selbstverständlich halten, Illusionen sind, die durch den suggestiven Einfluss des gesellschaftlichen Umfelds hervorgerufen werden, in dem sie leben.“ „Haben oder Sein“, Seite 49

Um jedoch das System dahinter zu verstehen, weil es sich gerne der Betrachtung zu entziehen versucht, ist es meines Erachtens notwendig, sich mehrerer Disziplinen (Wissenschaft, Philosophie, Psychologie, Medizin, Politik, Recht, Theologie, Ökonomie, Ökologie (Haushalten im Sinne von Vernunft)) zu bedienen, wo es jedoch nicht notwendig ist, erst in jeder einen Doktortitel zu absolvieren.
Ebenfalls bedeutet es nicht, erst alles auswendig zur Hand zu haben, um letztlich doch nur systemgerecht zu agieren. Schließlich geht es ja darum, das System infrage zu stellen.

Was das System angeht, hilft es nicht, nur mit einem Thema „fachorientiert“ heranzugehen.

Bei nahezu allen oben genannten Disziplinen habe ich in Gesprächen die Erfahrung gemacht, dass die Inhaber der jeweiligen Disziplin davon überzeugt waren/sind, dass sich grundsätzlich etwas verändern muss und waren dabei gleichzeitig der Meinung, dass ihr „Stübchen ja sauber sei“.

Das war vom Prinzip her damals nicht anders bei den hundert Reichsgruppen, wo sich jede als „die Lösung“ präsentierte, während man sich gegenseitig madig machte oder durch die Argumente gegenseitig aushebelte.

Wenn man erkennt und bedenkt, dass jeder „Staat“ nur eine vom Menschen geschaffene Fiktion darstellt, kann man sich die weitere Verfolgung dieses Themas insgesamt ersparen. Gleichzeitig erkennt man, dass in der Welt nahezu die gleiche Märchenstunde in den Köpfen im Gange ist. Zu erkennen hat das jeder für sich selbst.

Um es mal so auszudrücken: Sich mit dem System auseinanderzusetzen, indem die Mehrheit unwissentlich darüber „darin“ gefangen ist, ist spannender als „James Bond“, „Indiana Jones“ und „Star Wars“ zusammen.

Das System konstituiert sich im Grunde aus den gewohnten Denk- und Verhaltensmustern, Konventionen und Wertvorstellungen des Menschen und äußert sich bspw. durch künstliche, vom Menschen geschaffene Regelwerke (Gesetze), Personen, Titel, künstlichen Institutionen (Staaten und die darin enthaltenen Institutionen, künstlichen Grenzen auf einer Landkarte usw.

Was Fromm eindringlich geschrieben hat, betrifft das Thema „Besitz und Eigentum“.

„In der Existenzweise des Habens ist die Beziehung zur Welt die des Besitzergreifens und Besitzens, eine Beziehung, in der ich jedermann und alles, mich selbst mit eingeschlossen, zu meinem Besitz machen will.“ „Haben oder Sein“, Seite 33

Die Vorstellung, dass einem etwas oder jemand gehören würde und darüber hinaus auch die ebenfalls irrige Vorstellung, auch das Leben würde einem gehören, führt dazu, dass der Mensch nicht frei ist.

Das liegt an der gewohnten Erziehung im Haben, die im Nachgang jedoch dazu führt, dass man darüber fremdbestimmbar (und „abkassierbar“) ist.

Befördert wird das ganze Spektakel durch die gewohnte Erziehung in der Institution „Familie“, in Gehorsamsbereitschaft und Entsprechung, was dem Leser – wenn er das liest – mittlerweile aus den Ohren kommen müsste.

Natürlich wird hier Nichts neues erfunden oder zusammengewürfelt. Menschen wie Stanley Milgram und der Film „I, wie Ikarus“ haben sich bereits mit den Themen auseinandergesetzt, doch ist es ein Unterschied, ob man es nur mal gelesen oder den Film gesehen hat, um irgendwann Konsequenzen daraus abzuleiten… oder gewohnt auch nicht.

„Neo, genau wie ich, wirst du irgendwann einsehen, dass es ein Unterschied ist, ob man den Weg nur kennt oder ob man ihn beschreitet.“ „Morpheus“, The Matrix, 1999

Die Täuschung, die sich der Mensch über die Jahrhunderte selbst geschaffen hat, hat ein unglaubliches Ausmaß angenommen, dass es auf der einen Seite für manchen schockierend sein dürfte, auf der anderen Seite jedoch dem Menschen ein Maximum an Freiraum bietet, schickt man sich an, das System nicht nur zu kennen, sondern es auch Schritt für Schritt infrage zu stellen, um so eine parallele Bedeutungsrealität zu schaffen.

Ich führe das jetzt nicht weiter aus, weil bis heute auf dem Blog genug dazu geschrieben worden ist.

Eines ist jedoch sicher: Der Mensch der sich aus dem Haben ins Sein entwickelt hat, der kennt die Gedanken des „Habenmenschen“, umgekehrt jedoch nicht. Eigene Erfahrungen haben in Dialogen gezeigt, dass der Mensch im Haben versucht, die Bedeutung des Seins auf das Haben reduzieren zu wollen, um es so zu verstehen. Dabei geht jedoch der Sinn, das Wesen, der Kern von Sein jedoch verloren.

Der „Habenmensch“ kann es nur dann verstehen, wenn er sich selbst zu seiner Entwicklung und damit verbundenen Konsequenzen entschließt.
Jedoch erkrankt er daran, erst mal alles vorher hören/wissen zu wollen, wo sich für ihn der „gewohnte Benefit“ möglicherweise versteckt und er darüber hinaus „erst mal überzeugt werden“ will. Sich zu überzeugen, dafür ist er jedoch selbst zuständig.

Ich glaube, es gab mal jemanden, der zu mir sagte, dass er sich für Freiheit nichts kaufen könne – anmerkend.

Fromm spricht ebenfalls das Thema „Liebe“ an.

„Das Substantiv „Liebe“, das nur eine Abstraktion der Tätigkeit des Liebens ist, wird vom Menschen getrennt.“ „Haben oder Sein“, Seite 30

Was die Liebe angeht, ist sie nicht einfach eine Angelegenheit zwischen zwei oder mehr Menschen, sondern ein Geschenk des Lebens an sich, was durch jene Menschen wirkt. Die reduzierte Vorstellung, das Gegenüber würde einen lieben, ist irrig.

Ich sage das, weil ich es auf eine ungewöhnliche Art und Weise selbst erlebt habe.

„Du, ich hatte das alles längst vergessen.“ „Und ich bin hier, um dich daran zu erinnern.“

Siehe auch: Wie Gravitation – Über Raum und Zeit hinweg

Die Erklärung, warum der Titel „Haben oder Sein“ nicht wirklich zutreffend erscheint, liegt daran, dass es sowohl „entweder…oder“ und gleichzeitig „sowohl…als auch“ bei Haben und Sein gibt.

Der klassische „Habenmensch“, der gewohnt in „entweder…oder“ denkt, also in „Alles oder Nichts“, hält das Thema „Sein“ für eine recht utopische und naive Haltung.
Letztlich hält er sich – besser: seine Denk- und Verhaltensmuster ihn von seiner eigenen Entwicklung ab. Im Sinne des freien Willens mag das auch so sein, weshalb man ja auch niemanden auf die eigene Reise mitnehmen kann.

Der Mensch im Sein sieht in den Dingen und anderen Menschen nicht die Notwendigkeit sie besitzen zu wollen oder gar sein Eigentum zu nennen, was letztlich eine geänderte Geisteshaltung darstellt. Sein Egoismus ist darüber hinaus nicht auf das instrumentalisieren anderer für seine eigenen Vorteile ausgerichtet, sein Egoismus fokussiert sich auf seine eigene innere, geistige Entwicklung.

„Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Bedeutungen, die wir den Dingen verleihen.“ Epiktet 2.0

Der Seinsmensch hat weder das Bedürfnis über andere zu herrschen, noch beherrscht zu werden. Er ist sich im Grunde selbst genug. Sein Handeln beruht auf Freiwilligkeit, die auch ein Nein beinhaltet.

Was nochmals das ökonomische Handeln angeht, so wirft Fromm ebenfalls einen Blick auf die Industrialisierung und das daraus entstandene, nach eigenen Gesetzen funktionierende, entmenschlichende Wirtschaftssystem.

Nachtrag: Mir ist nun auch wohler zumute.

Quelle: Wer „Haben oder Sein“ selbst lesen mag, kann man das PDF hier herunterladen.

Quelle: Wer das PDF mit den über 600 Markierungen lesen mag, kann es hier herunterladen.