Dachte man, es genüge nur lange genug zu warten?

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(v1.2, Nachtrag) Vor längerer Zeit meinte jemand zu mir: „… dazu müsste ja erstmal ein neues System da sein!“ Und? Ist da ein Neues? Bei den meisten würde die Antwort lauten: „Da is’ nix! Wo soll da was sein?“*

Während gleichzeitig lautstark Veränderungen gefordert werden, hoffen die Fordernden heimlich, dass sie selbst davon verschont bleiben – Erfahrung aus einigen Jahren erlebter Gespräche.

Man sieht hier deutlich, wie sehr die Masse durch ihre Denk- und Verhaltensmuster, Konventionen und Wertvorstellungen aneinander gekettet ist… und auch, wie sich die Masse dadurch von wenigen Akteuren bequem lenken lässt – denn die meisten wollen eines nicht: verlieren.

„Manchmal muss man verlieren, um zu gewinnen.“

Über die gesellschaftlich anerzogene Verlustangst, der eine ebenfalls anerzogene Vorstellung vorausgeht, jemandem würde etwas gehören, ist der Gewöhnliche nur allzu leicht fremdbestimmbar.
Das Rezept ist dabei ganz einfach: Wer nicht gehorcht, wer nicht entspricht, der gehört nicht dazu. Und das nicht nur von „oben“, sondern auch unter seinesgleichen, denn da meint/offenbart sich auch ein „von oben“. Also wartet man (gemeinsam) auf den „richtigen“ Moment.

„Zuerst würde ich die Renten und Löhne halbieren, gleichzeitig die Mieten und Energiekosten verdoppeln und dann… dann würde ich eiskalt das ganze Geld abschaffen.“

Und wenn alles nicht klappt, dann lautet das Argument: Es bestimmt immer noch „die Mehrheit“. Doch wie soll sich etwas ändern, wenn immer „die Mehrheit“ bestimmt?

Ganz einfach: Es handelt sich dabei nur um einen Glaubenssatz, den sich „die Mehrheit“ anerzogen „auf die Fahne geschrieben“ hat.

Dieser Glaubenssatz sorgt im Rahmen von Veränderungen dafür, dass der gesellschaftliche Druck in sich weiter zunimmt, während gleichzeitig Willen und Entschlossenheit zur Veränderung „geschont“ werden.
Meist reicht es für ein kurzzeitiges „Aufschäumen“, mitunter im Form aggressiver Argumentationen, weiträumigem Ignorieren oder sonstigen Verdrängungskonzepten.

„Schließlich haben wir eine Demokratie. Da bestimmt immer noch die Mehrheit.“ „Ach so. Eine Mehrheit wählt sich wenige, die dann darüber bestimmen, was für die Mehrheit „gut und richtig“ sein soll.“

Die Aufgabe besteht nicht darin, das nächste Mal nur die „richtige“, die politisch korrekte Farbe zu wählen, sondern an sich die Wahl anderer zu unterlassen, da man sich damit selbst mundtot macht.
Es hat auch nichts mit „Demokratie“ zu tun, sondern nur mit der freiwilligen Wahl einer wohlwollenden Tyrannei. Scheinbar reicht es nicht, sich nur für „schlau“ zu halten, wenn man es jedoch mit einem Streich schafft, sich SELBST über den Tisch zu ziehen. Soviel mal zum Thema „Mehrheit“… und „Wahlrecht“.

„Es muss doch Alternativen geben, eine Technologie, die uns hilft unser Problem zu lösen.“
„Euer Problem ist nicht die Technologie. Das Problem seid ihr. Euch fehlt der Wille zur Veränderung.“ „Dann helfen Sie uns, uns zu ändern.“ „Ich kann eure Natur nicht ändern. Ihr behandelt die Welt, wie ihr euch selbst behandelt.“
„Aber jede Zivilisation erreicht irgendwann einmal einen kritischen Punkt.“ „Die meisten schaffen es nicht.“ „Ihr schon. Wie?“
„Unsere Sonne war dabei zu sterben. Wir mussten uns verändern, um zu überleben.“
„Also erst als ihre Welt vom Untergang bedroht war, wurdet ihr zu dem, was ihr jetzt seid?“ „Ja.“
„Aber genau da stehen wir jetzt. Sie sagen, dass wir kurz davor stehen, uns selbst zu zerstören, und sie haben recht. Doch erst wenn man an dieser Schwelle ist, entsteht in uns der Wille zur Veränderung, und nur unmittelbar vor dem Abgrund entwickeln wir uns weiter. Das ist unser Moment. Nehmt ihn uns nicht weg. Wir stehen kurz vor einer Lösung.“ Dialog zwischen „Dr. Barnhardt“ und „Klaatu“, Der Tag, an dem die Erde stillstand, 2008

In der Vergangenheit meinten so manche Aufklärer, dass „man“ nun alle versklaven würde.

Wer sich jedoch mit dem System auseinandersetzt erkennt, dass sich mehrheitlich die ganze Zeit selbst versklavt wird/wurde, was für so manch widerständlichen Geist inakzeptabel erscheint. Denn das würde für den Einzelnen gleichzeitig bedeuten, dass er sich bereits sein bisheriges Leben selbst „über den Tisch gezogen“ hat.
Das erscheint nur deswegen so, weil „mehrheitlich“ der individuelle, menschliche Entwicklungsprozess anerzogen ausgeblendet worden ist.
Mit der Anerkennung der eigenen Entwicklung verliert der Schrecken vor dem eigenen Irrtum jedoch dramatisch an Bedeutung – ebenso wie die Bedeutung des Glaubens an Autoritäten.

Paranoia und Verlustangst greifen schnell um sich. Gewohnt ist es das Klagen, was zwar laut, jedoch letztlich ungehört verhallt. So ist es, wenn Mensch ihr ganzes Leben lang unter staatlicher Betreuung gelebt haben, wo andere wussten, was für die Masse/die Kinder „gut und richtig“ sein soll.

„Wir wollen, dass ihr es mal besser habt, als wir,… wenn ihr so seid, wie uns das gefällt.“ Glaubenssatz mit eingebautem gesellschaftlichen Verfall

Stanislaw, du musst mehr Engagement zeigen. Du musst deine Bauern lieben, sie antreiben. Hopp, hopp, hopp, hopp! Mir hat auch niemand etwas geschenkt. Ich habe alles selber erben müssen.“ „Johannes Paul Adamczewski“ zu seinem Sohn „Stanislaw“, 1670, 2023

Die tägliche Frage, wie man von A nach B kommt, stellt sich in der Regel recht einfach dar, da man sich innerhalb der Raumzeit bewegt. Vom Aldi und wieder nach Hause und wenn die Blase drückt, vom Wohnzimmer zur Toilette und zurück. Das ist auch weiter nicht außergewöhnlich. (Anmerkung: Es sei denn, man muss zu oft rennen. Dann sollte man jedoch den Arzt wechseln.)

Anders ist es, wenn es um das System selbst geht, IN dem das alltägliche Tamtam stattfindet. Denn wie kommt man von System A zu System B, wenn nur A erkennbar vorhanden „ist“?
Wenn die Masse dies wenigstens erkennen könnte, wäre das ja schon mal ein gewaltiger Schritt, statt ihrer gewohnten Betrachtung von sicht- und spürbaren Symptomen und vermeintlich „schuldigen“ Akteuren. Doch wer schaut schon nach „dem System“? Vor allem: „Wie“ schaut man auf das System?

Der Mensch, der sich für seine Person hält, hat da erhebliche Schwierigkeiten, jedoch nicht der Mensch, der weiß, dass er eine Person hat, also ihm der Unterschied zwischen Mensch und Person gewahr ist.

„In unsere nächsten Ausgabe wird es um Helden gehen. Halten Sie sich denn für einen Helden?“ „Ich sehe mich gar nicht als Helden. Nein. Überhaupt nicht.“ „Was ist mit Mr. Rogers? Ist der ein Held?“ „Ich, ich verstehe die Frage nicht.“ „Mh. Da sind sie… Fred… und dann ist da ja auch noch Mr. Rogers.“ Dialog „Lloyd Vogel“ und „Fred Rogers“, „Der wunderbare Mr. Rogers“, 2019

Es ist ein Irrglaube, man könne das Thema „Mensch/Person so nebenbei mal abhandeln, um anschließend wieder den Bedeutungen der gewohnten Wertvorstellungen zu erliegen.

„Da ist so eine Grundeinstellung da draußen. Da geht was ab, da ist so viel Hoffnungslosigkeit. Was sollen wir da machen?“ „Das ist nicht leicht zu beantworten, aber wenn… vielleicht gelingt es uns durch das Fernsehprogramm oder auch durch andere vorstellbare Programme, den Menschen klarzumachen, dass jeder Einzelne von ihnen wirklich wertvoll ist.“ „Ja, und das geht schon in der Kindheit los. Wir dürfen nicht unterschätzen, wie wichtig sie ist.“ „Ich glaube nicht, dass sich jemand gut entwickeln kann, wenn er nicht als derjenige akzeptiert wird, der er ist. Man hört so oft den Satz: „Oh, wenn du mal groß bist, wirst du es zu etwas bringen.“ Das sagen so viele in diesem Land. Das heißt, ein Kind wird also für das wertgeschätzt, was es mal sein wird und nicht für das, was es ist. Es wird eines Tages ein großer Konsument. Und je schneller wir die Kinder aus dem Nest werfen, damit sie unsere Produkte kaufen können, desto besser.“ Dialog „Arsenio Hall und Fred Rogers“, Der wunderbare Mr. Rogers, 2019

Wer schaut schon nach seinen Denk- und Verhaltensmustern, den Konventionen und gesellschaftlichen Wertvorstellungen, mit denen er nicht nur am System andockt, sondern diese notfalls sogar bis aufs Blut verteidigt? Kaum jemand. Und warum?
Seine eigenen Denk- und Verhaltensmuster sorgen schon dafür, dass der kritische Blick unterbleibt.
Was bleibt den Betroffenen, die nicht wissen, dass sie betroffen sind? Nix. Mehr ist es gewohntes Jorren und Kläffen und eher ist es ein ordentlicher Tritt in den Hintern, an dem dann „die Anderen“ einmal mehr schuld sind.

Wie macht man da mit, jedoch ohne sich in diesem Moloch zu verlieren? Ganz einfach. Gleich wie übel es unter dem gewohnten Bedeutungsrahmen ausschaut, funktioniert es über den Prozess der Infragestellung, wo die gewohnte Bedeutung der Gegnerschaft und Machtlosigkeit in eine Umgebung der Entwicklung umgedeutet wird. Die anerzogene Verdrehung in den Dingen wird sozusagen „entdreht“.
Das hat nicht einfach was mit Schönreden zu tun, was den Gewohnten dann dazu einfällt, sondern das Gegebene wird dazu verwendet, es in einen Entwicklungs-, statt in einen Verbleibens- und Verteidigungsprozess zu leiten.

Bildlich: Man rührt nicht mehr in der gewohnten, geistigen Gemüsesuppe herum, um durch eine spezielle Rührtechnik einen gänzlich anderen Geschmack zu erzielen – dies bei gleichen Zutaten – sondern man macht sich auf, das eigene Rezept „nach dem man üblicher Weise funktioniert“ grundsätzlich zu ändern.

Dazu benötigt man alle anderen in der Gesellschaft, zur Beobachtung und zum Vergleich, die selbst fest entschlossen ja weiter so bleiben wollen. Man kann von einer unbewusst freiwilligen Zusammenarbeit sprechen. Und je widerständlicher sich so manche auch zeigen, um so besser. Was ist es, was die Welt im Inneren zusammenhält?

Eines ist dabei ebenfalls erkennbar, wenn man aus einer solchen Position blickt: Der gewohnte Denker, der Teil jener Ordnung ist, die aus gewohnter Erziehung heraus entstand, bspw. der Erziehung zur Gehorsamsbereitschaft und Entsprechung, aufrechterhalten durch die gesellschaftlich üblichen Wertvorstellungen und wohlwollend zugestandenen Privilegien

Nein, nicht nur das, was da für gewöhnlich unter „Frieden“, „Freiheit“ und „Gerechtigkeit“ verstanden wird, sondern auch der anerzogene Glaube an den Wert von Geld, Arbeit, Produkten, Dienstleistungen, Ressourcen usw., wie auch dass einem etwas, jemand oder gar das Leben gehören würde, was man anerzogen demnach auch wieder verlieren könnte.

Bei diesen Gedanken tun sich all jene schwer, die in der Kindheit häufig gehört haben, dass sie erst einmal „was werden müssen“ oder erstmal „arbeiten gehen sollen, damit sie was werden“.

Der gewohnte Mensch – im Haben erzogen – hält sich häufig ohne seine Besitztümer für nichts und versucht mitunter irgendwie etwas werden zu wollen. So ist es, wenn man ein Sklave ist.

Der Glaube an jene gesellschaftlichen Werte erzeugt die Phänomene „arm“ und „reich“, während sich die Rolleninhaber, also „Arme und Reiche“ jedoch vom eigentlichen Wert abwenden, den sie nicht besitzen können, das Leben selbst, was über die Existenz des Menschen hinausgeht.

Informationen, die das Denken und die Verhalten des Menschen ausmachen, zeigen einmal mehr, dass jeder für sich selbst gefragt ist, was nichts mit gewohntem Haben und mehr des Selben zu tun hat.

„Die Menschen sind noch gut. Wir kämpfen, wir töten, wir hintergehen einander. Aber wir können uns ändern. Wir können es besser machen. Das werden wir, das müssen wir.“ „Bruce Wayne“, Batman vs Superman – Dawn of Justice, 2016

Mitunter nicht darüber zu sprechen bedeutet nicht darüber zu schweigen, denn auch Gedanken wirken.

„Der Mensch macht sich durch Verschiebung der Verantwortung selbst zum Sklaven und schafft sich so seine Herren, die ihm sagen, was er zu tun hat.“

Nachtrag: „1670“ ist eine polnische Serie auf Netflix, die die heutigen „Probleme“ in ein mittelalterliches, jedoch Zwerchfell beanspruchendes Flair hüllt.

Nachrichten: „Deutscher Zoll attackiert deutsche Rentner, die Rheuma-Decken als Weihnachtsgeschenke aus Italien einführen.“

* Das nichts anderes, außer das Übliche gesehen wird, hat damit zu tun, dass Erkennen etwas mit Bewusstsein und Wahrnehmung zu tun hat und erst dann etwas anderes, als das Übliche erkannt wird, wenn man beginnt, das Bewusstsein zu entwickeln.