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Einführung in Teil 2: vom Gewohnten hinüber zum Ungewohnten

Lesezeit: ca. 18 Minuten

(v1.4) Die Ursache für die Entstehung des Systems der alten Ordnung, mag vielleicht noch weiter zurückliegen, in einer primitiven Phase der Menschheit, weit vor dem Beginn ihrer Dokumentation. Sie (diese jene Ordnung) ist jedoch notwendig, um durch ihre Infragestellung, sich des längst Vergessenen wieder bewusst zu werden.

Gewöhnlich erscheint es von Bedeutung, wer die Geschichte schreiben „darf“ und man spricht in der Regel davon, dass es „die Sieger“ sind, denen dann so manche „Lüge“ wiederum nachgesagt wird.

„Frage einen Historiker, was die bedeutendste Erfindung der Menschheitsgeschichte war. Die Beherrschung des Feuers, das Rad, das Schwert? Ich würde sagen, es ist die Geschichte selbst. Geschichte ist nicht Fakt, sondern Erzählung, mit Bedacht gestaltet und gepflegt. Unter den Federstrichen des richtigen Chronisten, wird aus einem Schurken ein Held und eine Lüge wird zur Wahrheit.“ „Salvor Hardin“, Foundation, 2021

Es bedarf also eines Konzeptes, um einer möglichen „Märchenstunde“ sozusagen „Einhalt“ zu gebieten, was für gewöhnlich in der Suche von Details nach Details und damit verbundener Dauerbeschäftigung mündet.
Jedoch ist es notwendig, über das gewohnte Sammelsurium hinaus unmittelbare Kenntnisse zu gewinnen, die nicht in der üblichen Selbstreferenzierung münden, bspw. durch die allgemeingültige Aussage: „Das ist halt die Natur des Menschen“, um damit das Geschehene und möglicherweise das noch nicht Geschehene weiter zu rechtfertigen.

Offen gesagt wäre mir eine solche Antwort auch zu dürftig, die auch das Gefühl vermittelt, dass jener sich bereits mit allem („seinem Schicksal“) abgefunden hat, während sich mitunter der „Orden der Schlauheit“ schon mal umgehängt wird.

„Es wird sich ja sowieso nichts ändern.“

Man sieht deutlich, dass es auch nicht gleichzeitig jedermanns Aufgabe ist, sich mit diesen Sachverhalten auseinanderzusetzen und man sich auf diese Weise auch Zeit verzehrende „Überzeugungsprozesse“ ersparen kann.
Je länger und intensiver man sich mit diesem Thema jedoch auseinandersetzt, um so ruhiger wird es um einen herum und das ist auch gut so.

Letztlich geht es um einen selbst – jedoch nicht im klassischen Sinne von Haben und mehr des Selben, was gerne mit „Egoismus“ abgetan wird.
Der anerzogenen Entwicklung im Haben, mit dem Fokus auf begrenzte Ressourcen und der irrigen Vorstellung einer dadurch zu erreichenden inneren Erfüllung, steht eine unendliche Entwicklung im/zum „Sein“ diametral gegenüber.

Und offen gesagt gibt es auch etwas, was man nicht verteilen kann, selbst wenn man es gerne möchte: Die vom Leben verliehenen Talente. Aus diesem Grund ist es für einen selbst von Bedeutung, diese Talente zu erkennen und im Rahmen der eigenen Entwicklung (nicht gewohnt die im Haben) weiter zu entwickeln.

Die Vorstellung, irgendwann „den oder die Schuldigen“ für alles zu finden, und diese zur Verantwortung ziehen oder zumindest namentlich zu nennen, wird zwar für so manchen Akteur zur Antriebsmotivation, ist jedoch nur der übliche Kreisverkehr.
Um die eigene Entwicklung zu beschleunigen, ist die Einbeziehung bereits vorhandener Erkenntnisse anderer sinnvoll. Beispiel:

Irgendwann hieß das Thema „HLKO“ und so mancher machte sich auf den Weg, eine darin erkannte „Besoldung“ beantragen zu wollen. Das Ergebnis war bei den meisten Akteuren, trotz unterschiedlicher Vorgehensweisen ähnlicher Natur.
Es kamen immer weitere Akteure hinzu, die sich mitunter in der Weise äußerten, dass „die anderen“ ja nur zu blöd gewesen seien. So wird das natürlich nichts und so ist es auch sehr ruhig um die einstigen Akteure geworden.

Im Kern sind die wenigsten sich über eines wirklich klar: Es geht nicht einfach darum, das „Ungerechte“ gegen „Gerechtes“ auszutauschen, und damit habe sich „der geistige Anfall von Entwicklung“ bereits erledigt.
Ein Entwicklungsprozess zeigt dem Menschen zunächst auch seine geistigen Grenzen, die nur er selbst zu überwinden in der Lage ist – also nix mit „Nürnberger Trichter“.
Da gibt es kein auswendig lernen, um es später entsprechend dramatisch wiederzukäuen. Ernsthaft. Es geht darum, aus das gewohnte „so tun, als ob“ hinter sich zu lassen.

„Vergesst alles, was ihr zu wissen glaubt. Alles was ihr in der Schule gelernt habt, was eure Eltern euch beigebracht haben. Nichts davon ist wichtig. Ihr seid keine Kinder mehr. Ihr seid keine Schüler. Ihr seid X-Men.“ „Mystique“, X-Men: Apocalypse, 2016

Das Alte ist durch seine Infragestellung dazu gedacht, dass sich der Mensch wieder nach „vorne“ entwickelt, statt das Alte prinzipiell gewohnt nur zu wiederholen. Das schließt die Infragestellung der das System der alten Ordnung erzeugenden Denk- und Verhaltensmuster mit ein. Anders wird das auch nichts.
An diesem Punkt wird auch klar, dass Wandel über die Köpfe des Menschen hinaus geschieht, wenn sich bereits einer auf den Weg macht, und das Bestehende hinterfragt und infrage stellt.
Ist ein bisschen wie schwanger werden. Zwar sind viele unterwegs, doch reicht ein Spermium, um einen beachtlichen Entwicklungsprozess in Gang zu setzen.

Wer sich mit den Beiträgen des ersten Teils tiefgründiger auseinandergesetzt hat, wird im Rahmen der Suche nach „Schuldigen“ und „Hauptverantwortlichen“, die dann zu bestrafen seien, keinen wirklichen Sinn mehr erkennen.

Die Darstellung und Inszenierung von „Bösen Wichten“ dient in der Regel dazu, dem gewohnten Geist eine ihm entsprechende „Lösung“ vorzuhalten, damit er weiter dem Nichtdenken und gewohntem Wiedergeben von Bekanntem (gleich einer Gebetsmühle) nachgeht – Fremdbestimmung vom Feinsten, mit Fokus auf Verbleib, statt notwendiger Entwicklung.

Es geht hier auch nicht um „entweder…oder…“, sondern gleichzeitig auch um „sowohl…als auch…“.
Ist wie beim Bergsteigen: Zeit für Entwicklung, Zeit für Pausieren. Ich kenne jedoch keine Realität, wo man die Absicht darin erklärt wird, einen Berg zu besteigen, während man solange wartet, bis die Bergspitze am Basislager vorbeikommt.

Was passiert jedoch, wenn man Basislager, Berg und Bergspitze und den Prozess diese erreichen zu wollen spaßeshalber mal weglässt, weil es nur Illusionen sind?

Um den gewohnten Denker in Beschäftigung zu halten, wird ab und zu ein Schurke aus der bunten Kiste der Geschichte hervorgekramt, um wieder einmal an ihn und seine Taten zu erinnern – wer an allem Schuld sein soll.

Gelegentlich werden die „Schurken“ sogar tagesaktuell ausgetauscht, damit die einfache Masse etwas hat, worüber sie sich „ihre Mäuler verreißen“ kann – Ablenkungen und Stimulation gewohnter Denk- und Verhaltensmuster.
Man selbst sieht sich ja gern in der Rolle des unschuldigen und objektiven Beobachters. Eine Illusion.

„Ich bin von Licht und Liebe erfüllt, Arschloch!“ „Reagan’s Mutter“, Inside Job, 2021

Denn es geht – vereinfacht ausgedrückt – um den eigenen Anteil am Mitgeschehen IN der Welt und wie man über die, in der Regel unbetrachteten Denk- und Verhaltensmuster mit dieser verbunden ist.

Wer sich in den ersten Teil des Blogs „hineinliest“, wird zunehmend erkennen, dass es unnötig ist, nach „Schuldigen“ und „Hauptverantwortlichen“ suchen zu wollen oder jenen, die man irgendwie für ihr Getanes bestrafen müsse, da sich die „mit dem Munde entschlossenen Akteure“ so auf der gleichen Ebene bewegen würden, wie jene, die sie zu bestrafen meinen.
Einmal mehr, wie ähnlich sich beide sind, und einmal mehr der Hinweis, nicht den selben „Schritt“ zu begehen.

„Du weißt am besten, wer du sein möchtest. Du wirst dieser Mensch nur so. Auch wenn das heißt, du bist dann alleine.“ „Lukas“, Chosen (Serie), 2022

Geschichte dient dazu, anhand ihrer dokumentierten, wiederkehrenden Erscheinungen, jene Fragen zu formulieren, deren anschließende Auseinandersetzung und Beantwortung, einen Rückschluss auf menschliches Verhalten und seine Ursachen zur Folge haben – so dass man endlich sagen kann: Der Mensch hat nach so langer Zeit etwas dazugelernt.

Dazu ist es notwendig, das dokumentierte Rollenspiel (aus „Siegern“, „Verlierern“, „Herrschern“, „Untergebenen“, „Statisten“, gut bezahlten und weniger gut bezahlten „Darstellern“) als solches zu erkennen, um dadurch auch die gewohnte Polarisation zu überwinden, in die er durch gewohntes Denken in „dafür oder dagegen sein“ „plumpst“. Das meint es mit der Symbolik: „Der gefallene Engel“.

Dieser Beitrag schickt sich nicht an, alles beantworten zu wollen, weil viele Sachverhalte bereits im ersten Teil betrachtet, hinterfragt und infrage gestellt worden sind.
Man kann das Thema: „Mensch und seine Entwicklung aus dem Personendasein heraus“ auch niemandem aufschwätzen. Weshalb es sich stets um Hinweise handelt.

Eines ist jedoch sicher, es gibt keine Abkürzung und es bedarf der eigenen Aufgeschlossenheit, Beharrlichkeit, Mut und Selbstdisziplin.

Es geht darum ein inneres, vernetztes Fundament zu entwickeln, nicht einfach nur um eine Ansammlung von Sand.

„(R)Evolution ist nicht ein kurzer Akt, wo mal irgendwas geschieht und dann ist alles anders. (R)Evolution ist ein langer komplizierter Prozess, wo der Mensch anders werden muss.“ Rudi Dutschke 2.0

Weshalb ich stets auch gerne sage: Wer schnelle Lösungen erwartet, kauft sich ein Eis oder einen Hund.

Durch die richtige Fragestellung (also nicht die übliche, auf sich selbst referenzierende), mit Fokus auf die eigene Entwicklung, wird ein Schuh daraus. Wie erkennt man die „richtige“ Frage? Dieser Frage folgt zunächst die Frage: „Was bringt mir das dadurch erlangte Wissen selbst, im Sinne menschlicher Entwicklung wie auch qualitativer nicht nur gewohnt quantitativer Natur?“

Bspw.: Welche Denk- und Verhaltensmuster sind verantwortlich für die Existenz von Kriegen, Eroberungen, Unterwerfungen, Versklavungen, Konventionen, gesellschaftlichen Wertvorstellungen, Ideologien, Religionen, Ländern, Staaten usw.?

So. Jetzt wird es interessant.

Mit einer solchen Frage überwindet man nicht nur das übliche Rollenspiel-Dilemma. Konzepte wie „dafür oder dagegen“, „Freund oder Feind“, „Gut oder Böse“, mitunter sogar „Raum und Zeit“ usw., büßen darüber hinaus ihre gewohnte Bedeutungshoheit ein und mit ihnen auch die Verfechter, die daran festzuhalten meinen.

„Ich weiß etwas, was Kinder nicht wissen.“ „Und das wäre?“ „Dass niemand Böses wahrhaft böse ist und niemand Gutes wahrhaft gut.“ „Loki“, Loki, 2021

Sehr beispielhaft sieht man die Überwindung an diesem Zitat: „Das ist ein Rätsel. Über zwei Brüder. Der eine lügt immer. Der andere sagt immer die Wahrheit. Sie treffen beide an einer Straßenkreuzung und fragen, wie man in die Stadt kommt.
Die Antwort ist: Sie fragen den einen, welchen Weg der andere Bruder ihnen vorschlagen würde, und nehmen dann den entgegengesetzten.“ „Joshua Mansky“, The Coldest Game, 2019

Die Aufgabe bestand (und besteht für den Einzelnen, der sich selbst entschlossen dazu entscheidet) darin, die passende Frage zu formulieren, wo es nicht einfach darum geht, wer an allem „schuld“ ist und wie viel einem selbst beim „Strohmann-Konto“ monetär zusteht. Das wären nur die üblichen Fragen und Gedankenmuster aus dem System der alten Ordnung, die nur zum üblichen Sermon führen.

Diese Frage zu formulieren, gelingt erst seit dem sich eindringlich mit der Psyche des Menschen auseinandergesetzt wird.

Warum war der ganze Aufwand in Teil 1 überhaupt notwendig, wird sich der eine oder andere fragen.
Das liegt daran, dass das Wahrnehmen, Fühlen, Denken und Handeln von den anerzogenen Denk- und Verhaltensmustern beeinflusst ist, gleich wie sehr sich wohlformulierend und euphorisch um den „Wind of Change“ bemüht wird.

Nicht umsonst heißt es: „Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Bedeutungen, die wir den Dingen verleihen.“ Epiktet 2.0

Und im Weiteren:

„Du bist hier weil du etwas weißt, etwas, was du nicht erklären kannst. Aber du fühlst es. Du fühlst es schon dein ganzes Leben lang, dass mit der Welt etwas nicht stimmt. Du weißt nicht was, aber es ist da – wie ein Splitter in deinem Kopf, der dich verrückt macht. Dieses Gefühl hat dich zu mir geführt. Weißt du wovon ich spreche?“

„Von der Matrix?“

„Möchtest Du wissen, was genau sie ist? Die Matrix ist allgegenwärtig. Sie umgibt uns. Selbst hier ist sie, in diesem Zimmer. Du siehst sie, wenn du aus dem Fenster guckst oder den Fernseher anmachst. Du kannst sie spüren, wenn du zur Arbeit gehst oder in die Kirche und wenn du deine Steuern zahlst. Es ist eine Scheinwelt, die man dir vorgaukelt, um dich von der Wahrheit abzulenken.“

„Welche Wahrheit?“

„Dass du ein Sklave bist, Neo. Du wurdest wie alle in die Sklaverei geboren und lebst in einem Gefängnis, dass du weder anfassen noch riechen kannst. Ein Gefängnis für deinen Verstand.“ Dialog „Morpheus“ mit „Neo“, „The Matrix“, 1999

Um es so direkt wie möglich auszudrücken: „Die anderen“ sind lediglich der Spiegel der eigenen Selbstversklavung… unter anderem durch den Glauben an dem Wert von mit Zahlen bedrucktem Papier, Zahlenreihen auf dem Konto und dem Wert von Arbeit.

Dazu bedarf es lediglich jener Menschen, die auf Gehorsamsbereitschaft und Entsprechung erzogen sind.

Die gewohnten Denk- und Verhaltensmuster sind als eine Art künstlicher Kreisverkehr konzipiert, worüber sich der gewohnte Denker, der nach ihnen „funktioniert“, nicht wirklich bewusst ist, weil er das Denken, und durch Selbstreflektion entstehende Erkenntnisse und damit verbundene Selbstbelohnung – anerzogen – gegen belohnte Gehorsamsbereitschaft und damit nahezu ausbleibende, eigene Entwicklung eingetauscht hat.
Im Kern ist er „nicht Herr über sich“ selbst, über sein Belohnungssystem und seine Denk- und Verhaltensmuster.
Nicht einmal dann, wenn er meint, sich ja entschlossen dieses oder jenes kaufen zu können, um die „innere Leere“ zumindest eine Weile überlagern zu können.

Im Allgemeinen liegt es daran, dass er sich anerzogen im Haben und mehr des Selben bewegt, forciert durch die konventionell-traditionelle Vorstellung, ihm würde etwas oder jemand gehören, was er verlieren oder abgenommen bekommen könnte (wo eine Drohung ausreicht).

So hält man die Masse „in Schach“ und sie sich selbst, indem man ihr ab und zu das Gefühl vermittelt, dass ihre Existenz gefährdet sei, sie etwas verlieren könnte, dies in einem alternativlos erscheinenden Herrschaftssystem aus „unschuldigen, zur Gehorsamsbereitschaft und Entsprechung erzogenen Opfern der Umstände“ und ihren sie wohlwollend behandelnden oder gelegentlich knechtenden „Herren“ (Vorgesetzten, Autoritäten usw.).

Somit ist es nicht einfach eine Aufgabe, der man einen Samstagnachmittag mal widmet, um die Nummer dann „hinter sich zu bringen“ oder es reicht, das hier Geschriebene nur gut genug auswendig zu lernen, um es dann „artgerecht“ nachbeten zu wollen.
Es geht nicht darum, das gewohnte „so tun, als ob“ nur mit anderen Texten zu praktizieren, sondern das „so tun, als ob“ mehr und mehr hinter sich zu lassen.

Es geht dabei auch um Authentizität sowie der Entwicklung der eigenen Vernunft und dem Gewissen, damit verbundenem Frieden, Freiheit und der eigentlichen Gerechtigkeit. Alles Eigenschaften eines Menschen, die man nicht von anderen fordern, sondern selbst in sich entwickelt und mehr und mehr vorlebt.

Wie im Beitrag „Die Welt ist nicht unabhängig von ihren handelnden Beobachtern“ werde ich in Teil 2 des Blog versuchen, die (Einheit der) Gegensätze so nah wie möglich nebeneinander skizzieren zu wollen.

„Du wirst nie einen besseren Lehrer finden, als deinen Feind.“ „Jean Luc Picard“, Startrek: Picard, 2022

Musikalische Mitgestaltung: