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Das vereinfachte Märchen vom Andersland

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(v1.15*) Es waren einmal ganz viele Deutsche, die hatten sich nie Gedanken um irgendetwas gemacht, ebenso wenig wie ihre Nachbarn, deren ehemalige Kolonien und in anderen Ländern, die so mancher von ihnen selbst noch nie gesehen hatte. Und da alle deutsch sprachen, benannte man sogar das Land nach ihnen.

Viele Jahre zuvor hatte es ein unheilvolles Gegeneinander gegeben, in das sie verwickelt waren und am Ende gingen sie noch nicht einmal als Sieger hervor und verrichteten fortan Frondienste – jedoch ohne es zu wissen. Das Leben war für sie normal und auch ihre Kinder kannten es von den Erzählungen ihrer Eltern und von deren Eltern her nicht anders.

Damit das gesellschaftliche Zusammenleben funktionierte, jeder arbeitete für die Gesellschaft ja nicht umsonst, gab es dafür Geld, damit man sich etwas leisten konnte.

Sie selbst nannten sich „Bürger“ und wie alle braven Bürger zahlten sie pünktlich ihre Steuern. Sie fragten nicht einmal ob sie das mussten, sie gingen stillschweigend einfach davon aus.
Denn wurden davon ja Kindergärten und Autobahnen gebaut, so hatte man ihnen das erzählt. Die fleißigen Bürger arbeiteten auch für etwas, was sie Rente nannten. Denn wie sollte man später leben, wenn man ja nicht mehr arbeiten würde?

Die Bürger unterließen es dabei, die Dinge näher zu hinterfragen, denn es kostete ja Zeit. Schließlich war man darauf bedacht, möglichst viel Zeit für das Geld verdienen nutzbar zu machen.

Das machten sie nicht zuhause, sondern in sogenannten Unternehmen. Diese funktionierten natürlich nicht von selbst und es gab jene, die darauf achteten, dass die Arbeit auch immer richtig gemacht wurde und jeder seinen gerechten Lohn bekam.

Da man als Bürger ja nicht im Freien schlafen konnte, ging man zu einer Bank, um sich etwas von dem Geld zu leihen, damit man sich ein Haus bauen konnte. Das war schon eine Menge Geld, was man da bekam. Allerdings verlangten jene an der Bank Zinsen.

Es war ja auch verständlich, wenn die Bank das Geld der anderen verlieh, konnten die Eigentümer des Geldes ja selbst nichts damit machen. Die Zinsen waren auch sehr niedrig. Und so brauchte man auch nur ein kleines bisschen mehr als sonst arbeiten.

In den Familien lernten die Kinder der Bürger all die wichtigen Dinge für das Verhalten gegenüber ihren schlauen Autoritäten und in der Schule all das, was sie zu einem starken und fleißigen Bürger machte.

Alle lebten in Eintracht, es gab weder Leid noch Armut. Denn alle halfen einander, auch wenn sie ihresgleichen selbst nicht kannten. Sie taten es einfach.

Damit dieser Zustand so blieb, hatten sie einige aus ihren Reihen auserkoren, die darüber befanden, dass es allen an nichts mangelte. Man nannte sie „Politiker“. Und wenn jene älter wurden, löste man sie durch andere ab, so dass es für alle immer nahtlos weitergehen konnte. Alle waren zufrieden.

Damit alle Bürger stets gut informiert waren, gab es Zeitungen, Radio und Fernsehen, wo über die vielen Erfolge ihrer Politiker berichtet werden konnte. Alles lief bestens und jeder ging dem nach, was er am Besten konnte.

Eines Tages kamen ein paar, die taten jedoch nur so, als wollten sie für die vielen Bürger etwas Gutes tun und so ließen sich die Bürger von dem freundlichen Lächeln täuschen, und ernannten jene beim nächsten Mal zu den Nachfolgern ihrer bisherigen Politiker.

Mit der Zeit stellte sich jedoch heraus, dass jene ganz böse zu den Bürgern waren. Sie pressten ihnen noch mehr Steuern ab und so mussten die Preise der Produkte so sehr erhöht werden, um weiter die arbeitenden Bürger gerecht zu bezahlen.
Jedoch konnten sich nur noch wenige die Produkte kaufen, obwohl alle sehr fleißig waren. Kaum jemand konnte sich vorstellen, wie es so weit kommen konnte.

Und so geschah es eines Tages, dass die Eintracht zu Ende war, und alle fragten sich, was da wohl geschehen war. Jeder hatte doch nur sein Bestes gegeben und alles richtig gemacht.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann wird es langsam Zeit.

Sicher könnte man dieses Märchen in seinen Details immer weiter ausbauen. Doch darum geht es nicht. Es geht ums Umdenken und Infragestellen und nicht darum, die Nummer nochmal zu wiederholen. Die Lösung findet sich in der Invertierung der darin beschriebenen Kernmechanismen.

Nachtrag: Jemand sagte mal zu mir, ich solle die Dinge so schreiben, dass sie ein Kind versteht. Haben Sie schon mal einem Kind die Welt erklärt, weil es danach gefragt hat, was die Welt denn sei?

Nachtrag 2: Warum sollte man jemanden wie ein Kind behandeln?