Fatou Bensouda – Die Frau, vor der sich Diktatoren fürchten
(Cicero, Benjamin Dürr, 14. März 2012) Mal mütterlich, mal ernst: Die Gambierin Fatou Bensouda wird neue Chefanklägerin am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Eine Frau, die nicht zurückweicht und vor der Diktatoren zittern. Von der Frau, vor der sich Diktatoren fürchten, möchte man in den Arm genommen werden. Auch wenn sie konzentriert und angestrengt ist, wenn andere ernst schauen würden, hat Fatou Bensouda den Gesichtsausdruck einer Mutter. Ihr Auftreten gleicht dem einer „Big Mama“, einer, die lange freundlich bleibt. Aber sich, wenn es ernst wird, vor ihre Schützlinge stellt. Eine, die nicht zurückweicht.
Ab Juni wird Fatou Bensouda als Chefanklägerin am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag die schwersten Verbrechen der Menschheit verfolgen und die Despoten dieser Welt anklagen. Sie wird als erste Frau, als erste Afrikanerin diesen Posten des noch jungen Gerichts übernehmen – deshalb und weil Bensouda und ihr Vorgänger, Louis Moreno-Ocampo, unterschiedlicher nicht sein könnten, gilt sie vielen als Hoffnung.
Denn der Internationale Strafgerichtshof hat einige enttäuscht. Bisher – nach fast zehn Jahren Arbeit – wurde kein einziges Urteil gesprochen. 14 Fälle in sieben Ländern werden zurzeit behandelt, alle Taten wurden in Afrika begangen. Kritiker nennen das Gericht deshalb neokolonialistisch. Wichtige Staaten wie die USA, China, Russland und Indien lehnen es grundsätzlich ab. All das, so scheint es, stärkt Fatou Bensouda nur. Denn einige Vorwürfe widerlegt sie.
Die Szene spielt in der Elfenbeinküste, wo sich zwei Präsidenten nicht einigen konnten, wer die Wahl gewonnen hat. Es kam zu einem Bürgerkrieg, der Fall wurde an Den Haag gereicht. Bensouda, zurzeit noch stellvertretende Chefanklägerin, geleitete die Delegation in die Elfenbeinküste. Am Tisch saß sie – die Schwarze im afrikanisch- weiten, goldfarbenen Gewand – mit anderen Afrikanern. Ihre Herkunft macht sie bei solchen Gesprächen glaubwürdig. Sie sagt: „Mit Afrikanern in wichtigen Positionen können wir Vorurteile zerstreuen, das Gericht würde nur afrikanische Fälle verfolgen.“ Gleichzeitig betont sie, bei der Arbeit dürften ihre Hautfarbe oder Herkunft keine Rolle spielen.
Fatou Bensouda, 51, wurde in Gambia in Westafrika geboren. Ihr Vater war Polygamist, sie wuchs mit zwei Müttern auf. Weil es in Gambia noch keine Universität gab, verteilte die Regierung Stipendien und schickte die Studenten ins Ausland. Bensouda kam nach Nigeria, studierte dort Jura und erhielt später einen Master in Internationalem Seerecht – damit war sie die erste Expertin auf diesem Gebiet in ganz Gambia.
Ende der neunziger Jahre beriet sie die Regierung ihres Heimatlands, war zwei Jahre lang Justizministerin und schrieb am Gründungsvertrag der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) mit. Carla del Ponte, die Schweizer Juristin, war es, die Fatou Bensouda 2002 ans Ruanda-Tribunal holte, die Verbrechen des Völkermords zu ahnden.
Was sich ohne den Medienstar Moreno Ocampo ändern wird
Von dort wechselte die Juristin zwei Jahre später an den Internationalen Strafgerichtshof nach Den Haag. Als stellvertretende Chefanklägerin wurde sie damals von Carla del Ponte mit den Worten eingeführt: „Es wird deine Aufgabe sein, Fatou, die Idee des Völkerstrafrechts weiterzuentwickeln.“
Nun also rückt Fatou Bensouda an die Spitze des Gerichts auf. Maximal neun Jahre – die Dauer einer Amtszeit – hat sie nun für diese Ideen. Bisher verfolgt das Gericht nur die drei Tatbestände Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit – 2017 könnte der Aggressionstatbestand hinzukommen.
Am Gericht in den Niederlanden wird es Fatou Bensoudas Aufgabe sein, Verfahren gegen Schänder des Völkerrechts einzuleiten und zu führen. Werkzeuge gibt man ihr keine, der Strafgerichtshof ist auf die Mitarbeit der Staaten angewiesen. So kommt es, dass Staatschefs wie Umar al Baschir im Sudan (und bis vor kurzem noch Muammar al Gaddafi in Libyen) regieren und gleichzeitig mit Haftbefehl gesucht werden, aber niemand sie dingfest macht.
Manche sagen, das liege auch an Bensoudas Vorgänger. Louis Moreno-Ocampo führt zurzeit noch das Heer der Staatsanwälte, dieses Jahr läuft seine Amtszeit aus. Er packte Dinge gern an, Kritiker sagen, er habe lieber Pressekonferenzen gehalten als Akten studiert. Öffentlichkeitswirksam entstieg er Helikoptern oder schob sich noch in den Ankunftshallen am Flughafen vor die Mikrofone. Wenn Moreno- Ocampo spricht, klebt er die Wörter aneinander, sodass sein Englisch wie Spanisch sprudelt.
Wenn Fatou Bensouda spricht, zerhackt sie die Sätze wohlüberlegt in Einzelteile. Bensouda wird eine leisere Chefanklägerin, meinen ehemalige Kollegen und Völkerrechtler. Moreno-Ocampo war der quirlige, mächtige Ankläger – Bensouda wird die besonnene Juristin sein. Wenn sie im Gerichtssaal oder auf Konferenzen auftritt, spreche eine starke Persönlichkeit, die weiß, was sie will, sagen jene, die sie kennen. Nach Jahren grüße sie ehemalige Kollegen noch mit Namen.
Fatou Bensouda will mit ihrer Arbeit überzeugen, nicht mit ihrem Auftreten; auch Interviewanfragen ließ sie bislang ablehnen. Über ihr Privatleben weiß man deshalb wenig. Nur so viel: Sie ist mit einem Marokkaner verheiratet, dessen Nachnamen sie trägt. Sie hat zwei Kinder. Über ihre Motivation sagt sie: „Wir wollen Gerechtigkeit, kein Verbrecher darf vor Verfolgung sicher sein.“ Und sei er noch so mächtig.