Notizen aus der Provinz – oder: Reklame: Der Feind im Anderen

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(v1.1) Na? aufgebracht wegen „der Ampel“, den sogenannten „Ausländern“, den „Islamisten“, der AfD, dem Krieg „in“ der „Ukraine“, den „Falschparkern“, der „Knöllchen“, dem „Rundfunkbeitragsservice“, der „EU“, wegen der „Regierung“, Corona-Aufarbeitung, der hohe „Preise“, der Kürzungen, der „ungerechten“ Steuern usw?

Hat man sich erst einmal ein stattliches Repertoire an Feindbildern zurechtgelegt und geht entsprechend „gießkannenartig“ damit um, wird es irgendwann schwierig, sich mit jenem Gedanken vertraut zu machen, dass die Feindbilder nur Erfindungen und Projektionen des eigenen „Ichs“ sind – das „Ich“, als der Feind selbst. Weitergedacht trifft das auch auf den sogenannten „Freund“ zu.

Das wiederum bedeutet, dass man es stets selbst in der Hand hat, wie einem die Welt begegnet – vorausgesetzt, man ist wieder „Herr“ über seine eigenen Denk- und Verhaltensweisen, statt gewohnt nur über andere „Herr“ sein zu wollen.

„Denk‘ daran. Nur weil dich jemand wie seinen Feind behandelt, hast du kein Recht, ihn auch so zu behandeln.“ „Imam“ zu „Kamran“, Ms. Marvel, 2022

Der Gehorsame lässt sich darüber hinaus Feindbilder „verordnen“, dass er im „anerzogenen Drang zur Feindbildprojektion“, gefolgt von üblichen „Frustabsonderungen“ auf diese Weise reichlich beschäftigt ist.
Da wird auch nicht mit entsprechenden Wortkreationen gespart, um es ihm leichter zu machen oder hat schon mal jemand einen „neurechten Braunesoteriker“ gesehen?

Die Antwort darauf lautet: „Links und Rechts sind nur die willfährigen Handlanger der Mitte.“

Beide mögen sich zwar inhaltlich voneinander unterscheiden, prinzipiell jedoch nicht – sie sind vereint im „Märchen von Gut und Böse“.

Was zählt, ist die Beschäftigung der Massen „auf Teufel komm’ raus“! Und da zählt jede beliebige Meinung, solange gewährleistet ist, dass das System, in dem sich all jene unbewusst mental bewegen, weiter unbetrachtet bleibt und sie so weiter in ihrem mentalen Gefängnissen unterwegs sind.

Es ist nicht damit getan, anderen nur die Schuld für die eigene Lebenssituation zu geben, da genau dieses Verhalten dafür sorgt, dass sie auch weiterhin in ihrem Kopfknast verweilen – während von ihnen lautstark Veränderungen gefordert werden.

Reklame: Kaum jemand scheint zu verstehen, dass alles Klagen, Jammern, sich beschweren, Wut und Frust ablassen, nur eine Scheinbeschäftigung (Anmerkung: auch kollektiv) darstellt, während man dem (an)erkannten „Feind“ dafür die Schuld zu geben meint.

Die Frage lautet nicht, wer „schuld“ ist, sondern warum man selbst stets so zu reagieren meint.

Ist der „Boden der Sachlichkeit“ erst einmal verlassen, geht es – Reklame – nur noch ums Dagegensein, um des Dagegenseins willen.
Der entschlossene Akteur befindet sich dabei in einer Blase selbstgeschaffener Machtlosigkeit, die er auch noch zu verteidigen versucht und so seine eigene Situation weiter verschärft.
Dass er für seine Verhalten und auf welche Weise ihm die Welt begegnet, selbst verantwortlich ist, weiß er nur selten, will er nur selten wirklich wissen. Denn dann würde sich für ihn sein bisher gelebt Geglaubtes als eine Selbsttäuschung offenbaren.

Der Unterschied der „Herren“ gegenüber „ihrer“ Masse liegt einfach daran, dass die „Herren“ wissen, wie die Masse „funktioniert“, während die Masse nicht wissen will, wie sie funktioniert, denn schließlich muss sie ja arbeiten, Geld verdienen und wieder ausgeben. Das „alternativlose“ Schicksal der geborenen Untertanen. Sicher lässt man sie ab und zu aufbegehren, meist jedoch nur aufgrund vorgegebener Themen.

Durch die künstlichen Werte der im Haben erzogenen Gesellschaft ist es deshalb auch ein Leichtes, sie weiter fremdbestimmbar zu halten… während sie die Werte auch noch zu verteidigen meint, was auch ganz klar zeigt, warum man mehrheitlich darauf erpicht ist, irgendwann DEN „gerechten“ Volksbetreuer gewählt zu haben.

„Man muss ja froh sein, wenn man Arbeit hat.“ Alte Frau im Bus in Recklinghausen

Wenn der Gewohnte auf der Demo aufbegehrt, dann nur insoweit, bis er Montag wieder artig an die Arbeit geht, und selbst wenn er streikt, fällt das letztlich wieder auf ihn zurück. Alternativlos.
Letztlich ist das auch besser so. Denn wo käme er hin, wenn er nur ginge.

Genug der proletarisch-weinerlichen Melancholie.

Gestern meinte jemand, ob ich auch Lösungen hätte oder nur Unterhaltung betreiben würde. Selbst lesen und selbst denken, schrieb ich.
In der vorliegenden Gesamtsituation liegt es an jedem selbst, ob er in der Vorstellung unterwegs ist, seinem gewohnten Schicksal (Anmerkung: Was für ein gewichtiges Wort.) zu erliegen, und sich lieber in Schweigen oder Klagen hüllt, oder ob er sich auf den Weg seiner eigenen Entwicklung macht.

Es wird sich kein Moment einstellen, wo jemand – weiter an den gewohnten Denk- und Verhaltensweisen festhaltend – „lautlos“ hinübergleitet, da es eben um die für das System typischen Glaubenssätzen geht, von denen er sich selbstentschlossen und schrittweise selbst zu lösen hat. Letztlich liegt es in seiner Entscheidung, was wiederum bedeutet, dass man niemanden überzeugen braucht.

Nebenbei ist es irrsinnig, sich vor möglichem(!) Schmerz und Leid zu schützen, indem man sich vorsorglich schon mal in Schmerz und Leid belädt, in der Hoffnung fremder Erlösung und als Grundlage für Klagen, Jammern und gelegentlichem Krakeelen mit Frustabsonderung.

Weder übliches Mitleid (Anmerkung: Leidende treffen auf Gleichgesinnte, die sich dann „Mitstreiter“ nennen und dann „gemeinsam stark“ sind.), noch Mitgefühl (Anmerkung: Man nimmt das Leid des anderen empathisch wahr und dadurch an und hat dafür „Verständnis“.) sind förderlich.
Sie rufen beim Betroffenen nur weiter zum Verweilen in seiner selbst geschaffenen Situation auf. „Man“ kann ja sowieso nichts ändern.

„Wo versteckt sich ein Gegner am besten? Dort, wo man ihn am wenigsten erwarten wird. Er versteckt sich hinter ihrem Schmerz, Jake. Sie beschützen ihn mit ihrem Schmerz. Umarmen sie den Schmerz, dann gewinnen sie auch das Spiel.“ „Avi“, Revolver, 2005

Und es gibt immer eine Ausrede. Das ist auch der Grund, warum es jeder für sich zu entscheiden hat. Es wird keinen „Erlöser“, „Führer“ oder gar eine „gewählte, gerechte Autorität“ geben, die dann für alle „die gewohnten Kohlen aus dem Feuer holt“.

Wie schaut’s aus?
Der im Haben erzogene Mensch sieht „seine Freiheit“ recht schnell beeinträchtigt, wenn das, „was ihm gehört“, „was ihm zusteht“, „worauf er ein Anrecht/einen Anspruch hat“, „was ihm versprochen wurde“, „weil es schon immer so war“, zunehmend am Schwinden ist.
Im gesellschaftlichen Rahmen spricht er zur Stärkung der eigenen Person von „unsere Sozialkassen“, „unser Geld“, „unser Land“ usw.
Beim Geld bspw. übersieht er, dass er lediglich am Geldsystem teilnehmen darf. Das Geld selbst gehört ihm nicht.

Noch immer meint sich die Mehrheit in jener Position,Veränderungen verhindern zu wollen, während sie gleichzeitig Veränderungen fordert. Sollen sich die „Anderen“ erst einmal ändern. Sie merkt nicht, dass sie sich selbst „über den Tisch zieht“.
Was jenen dabei wirklich im Wege steht, sind ihre eigenen Haltungen, die auf gewohntes „Alles“, damit verbundenem „Verlust“, gefolgt von einem möglichen „Nichts“ beruhen und damit auch der recht eindimensionalen Hoffnung auf „gerechte Autoritäten“, die ihnen möglicherweise dauerhaft wohlwollend gesonnen sind.

Die Masse übersieht, dass sie sich durch ihre jeweils eigenen, jedoch wechselwirkenden Denk- und Verhaltensweisen selbst und gegenseitig „in Schach hält“ – die Gesellschaft im Gruppenzwang.

Dabei genügt es, ihre gleichgeschalteten Angstmuster zu triggern, am besten nach dem Prinzip: „Bestrafe einen, erziehe viele!“ Möglich wird das selbst geschaffene Debakel durch den Glauben, einem selbst würde etwas, jemand oder gar das Leben gehören, was man „alles“ möglicherweise(!) verlieren könnte. Das ist sozusagen die Realität jenes Menschen, erzogen im Haben.

„Ihr sehnt euch still nach dem, was ihr nicht habt. Und das was ihr habt, fürchtet ihr zu verlieren. Für 99,9% eurer Art, ist das die Definition von Realität. Sehnsucht und Furcht, Baby. Da gibt man jedem, was er will, oder?“ „Analytiker“ zu „Neo“, Matrix Resurrections, 2021

Um sich weiter an „alten Zöpfen“ festzuhalten, kann man auch behaupten, dass es sich ja NUR um Zitate aus dem Kino handelt, um so die Notwendigkeit des Um- und Weiterdenkens vor sich herzuschieben.

Der Punkt des Um- und Weiterdenkens besteht jedoch nicht einfach darin, sich den gegebenen Situationen wehrlos hinzugeben oder nur die Argumente des vermeintlich erkannten „Feindes“ fix zu eigen zu machen, sondern sowohl über die eigenen wie auch dessen Argumente hinauszudenken, was ebenfalls nichts damit zu tun hat, auf „gerechte Autoritäten“ oder „Deutsche Reiche“ zu hoffen, was lediglich nur der Ausdruck dafür ist, auch weiterhin die Rolle des sich unterwerfenden, unschuldigen Opfers der Umstände zu mimen.

An dem Punkt wird es recht schnell dünn, weil das im Wesentlichen bedeutet, sich mit den eigenen, gewohnten Denk- und Verhaltensweisen auseinanderzusetzen.

Die gewohnt über dieses Thema unbewusste Mehrheit, die die „Regierung“ oder den „Staat“ als „den Feind“ auserkoren hat, bleibt auf diese Weise weiter fremdbestimmbar.
Schuldzuweisung ist stets eine Selbstentmachtung – gleich wie lautstark so mancher dies zu kritisieren oder zu ignorieren meint. Gern wird „Staat“ mit „Regierung“ verwechselt. Der Staat entsteht bereits dann, wenn viele ihre Stimme an wenige abgeben. Er erscheint der Masse in dem Sinne als „Feind“, weil er aus den gleichgeschalteten Denk- und Verhaltensweisen der Bevölkerung ersteht – der Leviathan.

Im Rahmen der Selbstbestimmung, die mit einer eigenen, zu sich selbst ehrlichen Entscheidung ihren Anfang nimmt, handelt es sich jedoch nicht um einen Akt des „von jetzt-auf-gleich“, stellt sich die damit einhergehende Reise, als keine vom „Alles“ hin zum „Nichts“ dar. Jedoch setzt sie Mut, Selbstdisziplin, Beharrlichkeit und Vertrauen in das eigene Handeln voraus.

Das „Nichts“ ist lediglich eine Erfindung, um dem möglicherweise mal selbstständig denkenden Menschen „den Teufel an die Wand zu malen“, um ihn von seiner Absicht und Entschlossenheit abzubringen.
Die Vorstellung, das einem etwas, jemand oder gar das Leben gehören und man „alles“ deshalb auch wieder verlieren könnte, entpuppt sich erst im Nachhinein als Irrglaube.

„Man kann Macht über andere Menschen ausüben, solange man ihnen etwas gibt. Nimmt man einem Menschen aber alles, dann hat man seine Macht über ihn verloren.“ Aleksandr Solzhenitsyn

Natürlich erscheint es einfach, wenn man all die Schritte hinter sich gebracht hat, sich jedoch weiter beharrlich auf dem Weg der eigenen Entwicklung bewegt auf dem man Menschen und Signalen begegnet, die einem ein „Lächeln der Bestätigung“ zuwerfen.

Den Weg zu beschreiten wird dadurch bestärkt, indem man sich der Infragestellung bedient, um dadurch das System der alten Ordnung nicht nur zu hinterfragen.
Dabei ist es nicht damit getan, sich das „Schlechte“ nur oberflächlich „schönzureden“ oder nur stark genug gegen das erkannte „Böse“ zu sein und das war es dann.

„Gut und Böse“ sind nur erfundene Eigenschaften, um eine künstliche Trennung und Abgrenzung hervorzurufen, ebenso wer „Freund“ und wer „Feind“ sein soll, wer „dazugehört“ und wer „nicht dazugehört“. Solange die Bevölkerung in solchen Kategorien zu denken und zu bewerten meint, wird das „nichts“ mit dem „wir“.

„Revolutionen* beginnen mit Geld und enden mit Geld.“ Unbekannt

*(Anmerkung: engl. „to revolve“ = sich im Kreise drehend)

Wer meint, er sei der „Gute“ und würde „nur Gutes“ tun, der wird recht häufig auch das Gegenteil gegen sich erfahren und möglicherweise von jenen enttäuscht sein, die ihm dies angetan haben.
Das sind jene, die nicht verstehen, dass es nicht einfach darum geht, nur mit „Gutes“ etikettiert zu tun, um sich möglicherweise sogar für andere aufzuopfern, um dann selbst das Gegenteil zu erfahren.

„Gut“ oder „böse“ zu sein, beruht auf der gewohnten Erziehung zur Entsprechung, im gesellschaftlichen Rahmen, was „gut“ und „was „böse“ sein soll.

„Du bist solange gut, solange mir das gefällt.“

Im Prozess der Infragestellung sind die eigenen Denk- und Verhaltensweisen, damit verbundene Konventionen und übliche Wertvorstellungen mit einbezogen. So etwas wie eine objektive Haltung zur Welt gibt es nicht – selbst dann nicht, wenn man das Gegenteil zu behaupten meint.
Das wäre so, wie jene kindliche Vorstellung, sich die Augen zuzuhalten, verbunden mit der Vorstellung ja nicht da zu sein.

Reklame: Das System IN dem der Mensch lebt, sind seine eigenen und durch gewohnte Gleichschaltung in Gehorsamsbereitschaft und Entsprechung anerzogen-entwickelten Denk- und Verhaltensweisen, daraus hervorgehenden Konventionen und dies alles deckelnden Wertvorstellungen.

Hinweisend: Die gewohnt oberflächliche Haltung steht der einer notwendig tiefgründigen Betrachtung gegenüber.

Die Frage an den Einzelnen lautet somit: Will er weiter an seinen gewohnten Betrachtungs- und Verhaltensweisen festhalten, was die irrige Vorstellung mit einschließt, dass er alleine ja sowieso nichts machen könne, oder ob er sich dazu entschließt zwei Dinge zunächst grundsätzlich zu unterlassen: Schuldzuweisung und Feindbildprojektion.

Dies zu erkennen und dauerhaft zu unterlassen, verschafft einem nicht nur eine erhebliche Entlastung, sondern auch den notwendigen Freiraum für den Kopf, für die eigene Entwicklung – zurück zum Leben, statt sich nur mit oberflächlicher Kritik an den Symptomen (Phänomene, „Probleme“) der Simulation von Leben zufriedenzugeben.