Nur „strange“ für die Gewohnten

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(v1.25) Am 24. November 2022 erschien der Animationsfilm „Strange World“ in den Kinos und entwickelte sich nach kurzer Zeit zu einem finanziellen Desaster.

Gestern habe ich mir den Film angeschaut und kann verstehen, warum er so unangenehm aufgestoßen ist, ein Film, der sich nicht nur als ein sehr bunt überzeichnetes Höhlengleichnis von Plato präsentiert, sondern nebenher auch die wesentlichen Denkweisen der alten und der neuen Ordnung gegenüberstellt:

„Die Dämonenspinne war nicht der Bösewicht?“ „Zum 27. Mal: Es gibt keine Bösewichte. Das Ziel ist nicht zu töten oder Monster zu vernichten, man soll einfach eine funktionierende Zivilisation aufbauen, indem ihr die Umgebung um euch herum nutzt.“ Dialog zwischen „Searcher Clade“ und „Ethan Clade“, Strange World, 2022

„Das eigentliche Ziel von „Primal Outpost*“ ist es, einfach im Einklang mit seiner Umwelt zu leben.“ „Ethan Clade“, Strange World, 2022 (* ein Kartenspiel im Film)

Dem Film gelingt es, eine gewohnte Sicht- und Handlungsweise, in eine andere zu transformieren; dies in dem Moment, wenn man das ganze Bild vor Augen hat und vermittelt wird, das nicht alles so „gut“ erscheint, wie man zunächst der festen Meinung ist, wenn man es plötzlich aus einem anderen Blickwinkel betrachtet.

Zum Ende des Films nochmals zwei deutliche Signale an den Zuschauer, worum es im Wesentlichen geht sowie einem starken Hinweis über die Art und Weise, wie Sachverhalte im Sinne einer Lösungsorientierung zu betrachten sind und dass das Gewohnte in der Regel nicht wirklich ausreicht.

Das Einspielergebnis spiegelt demnach die aktuelle Haltung des Publikums wider. Verständlich, wenn es ums Umdenken geht, bekommt das Publikum eben nicht mehr das um den Bart geschmiert, was seinen Denk- und Verhaltensmustern gewogen ist.

Es geht um notwendiges Umdenken und damit verbundene Denk- und Verhaltensänderungen, mit Weitblick auf ein Übermorgen zukünftiger Generationen und demnach auch über den gewohnten Gedanken an „volle Kinokassen“ hinaus.

„Das größte Vermächtnis, was wir hinterlassen können, ist eine Gegenwart zu schaffen, in der man sich auf morgen freuen kann.“ „Ethan Clade“, Strange World, 2022

Zwischendurch ein Gedanke zu Filmen an sich. Die in einem Film dargelegte Realität wird dann zur Realität des Betrachters, wenn ihm a) im Film eine ihm selbst vertraute Realität, ein vertrautes Szenario, b) eine gesellschaftlich etablierte Meinung oder ein ihm bekannter Gegenstand gezeigt wird.
Achtet man als Betrachter auf die eigenen Reaktionen, so ist es interessant, wenn bspw. im Film über einen anderen Film gesprochen wird, den man möglicherweise sogar selbst gesehen hat.
Das verleiht dem ersteren Film für einen Moment eine seltsame Anmut, wo sowohl die Darsteller wie auch das Szenario selbst, für den Betrachter plötzlich realer erscheinen.
Es verschwimmt, geht ineinander über.

Interessant sind auch Szenen, die durch eine Art abrupte Kursänderung – durch besondere Betonung – den entstandenen Filmfluss inhaltlich zu unterbrechen scheinen, und dem Film eine tiefere Bedeutung, als gewohnt oberflächliche Unterhaltung (unten halten) verleihen, wie bspw. hier:

„Wir haben gewonnen. Die Menschen interessieren sich nicht mehr für ihre Bürgerrechte, nur noch für ihren Lebensstandard. Die moderne Welt hat Ideen, wie die Freiheit, hinter sich gelassen. Es genügt ihnen zu gehorchen.“
„Die Gefahr bleibt bestehen, solange der freie Wille existiert. Jahrhunderte lang haben wir versucht durch Religion, Politik und heute durch Konsumdenken Widerspruch auszulöschen. Hat nicht auch die Wissenschaft eine Chance verdient?“ Dialog aus dem Film „Assassin’s Creed“, 2016

Oder hier, wo sich einer der Hauptpersonen plötzlich zum Betrachter/zur Kamera dreht und zu einer anderen Person sagt:

Ich erzähl‘ Ihnen jetzt mal ein kleines Geheimnis. Wenn Sie’s gehört haben, können Sie nich‘ so tun, als hätten Sie es nicht gehört….

Sie wollen’s so richtig schaffen. Also fangen Sie an, mit was Kleinem. Sie brechen ’ne Norm, ’ne Idee, ’ne Konvention, ’n kleines Businessmodell. Aber, Sie nehmen dann das, dass die Leute sowieso schon satt haben. Alle sind ganz aufgeregt, weil man etwas sprengt, das vorher schon alle kaputt haben wollten.

Das ist der Vorstoßpunkt. Das ist der Moment, an dem man in sich hineinschauen und sich fragen muss: Kann es sein, dass ich der Typ „Mensch“ bin, der weitermachen wird? Will ich noch mehr zerstören*? Will ich was Großes zerstören*? Will ich etwa das Ding zerstören*, dass eigentlich niemand kaputt sehen will? Denn an diesem Punkt wird niemand auf Ihrer Seite sein.

* Besser ist der Ausdruck „infrage stellen“

Das Vorgehensweise findet sich in diesem Zitat: „Am Leben zu sein, bedeutet Geister zu kennen. Das Imperium fürchtete Hari, weil er die Zukunft vorhersehen konnte. Doch in Wirklichkeit tat er nichts anderes, als die Vergangenheit neu zu beurteilen.“ „Salvor Hardin“, Foundation. 2021

Es wird heißen, Sie seien verrückt. Sie werden sagen, Sie seien ein Mistkerl und dann heißt es: Stopp! Selbst Ihre Partnerin wird sagen: Es reicht! Stopp!

Denn wie sich herausstellt, will niemand, dass Du anfängst, das System zu zerstören.
Und das ist es, was wahre Disruption auszeichnet und das, was uns eint. Alle, wie wir hier sind. Wir alle sind an diese Grenze gestoßen und haben sie überschritten.“ „Miles Bron“ zu „Benoit Blanc“, Glass Onion: A Knives Out Mystery, 2022

Hinweisend: „Die Personen und Ereignisse in diesem Spielfilm sind fiktiv. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen* oder Ereignissen ist unbeabsichtigt.“

* Die „tatsächlichen Personen“ sind in diesem Fall die Menschen, die den Unterschied zwischen Person und Mensch nicht kennen und beides für ein und das Selbe halten – wobei es wieder ums Thema geht.

Die oben beschriebene „Betonung“ findet sich auch in der hiesigen Realität, wenn bspw. ein RKI-Wieler folgendes zum Beginn der „Corona-Realität“ sagt:

Lassen sie mich auch nochmal zur Krankheit Folgendes sagen. Alles, was wir bisher aus… von dieser Krankheit gelernt haben, die wir wirklich erst seit wenigen Wochen kennen, ist dass rund vier von fünf Menschen, die mit dem Virus infiziert werden, nur leichte Symptome haben oder gar keine Symptome.
Also vier von fünf, wird den… wird diese Krankheit mehr oder weniger spurlos vorbeigehen. Sie haben wirklich vielleicht nur leichte Schnupfensymptome. Manche werden eben gar keine Symptome haben. Das liegt daran, dass es eigentlich gar keinen Erreger gibt… ganz, ganz…
Ich persönlich kenne nur einen Erreger, das ist das Maul- und Klauenseuchevirus, bei bei Wiederkäuern, dass bei jedem Tier, was infiziert wird, auch eine klinische Symptomatik macht. Aber das gibts… die meisten Erreger machen das eben nicht, sondern viele werden einfach nur infiziert, merken es gar nicht, bilden aber dann eine Immunität aus.
Das ist der Grund, das eben auch jede Epidemie und Pandemie irgendwann mal zum Stoppen kommt…“ Lothar H. Wieler, Leiter des RKI, 13.03.2020 (ab Minute 10:30)

Nicht zu vergessen Gregor Gysi in der Nachrichtensendung „Phönix“ am 08. August 2013.

Ebenso ein Helmut Schmidt in 2012 in seiner Rede zur Verleihung des Westfälischen Friedens:

„Tatsächlich aber sind die europäischen Völker ihre Staaten, ihre nationalen Volkswirtschaften, sind alle Unternehmen, von der Entwicklung der Welt, von der ich sprach, auf das Stärkste berührt. Sie wissen es nur noch nicht. Sie haben es nur noch nicht verstanden…“

Das wiederum bedeutet auch, dass es nicht einfach nur darum geht, wer etwas gesagt hat und welches Ansehen er genießt (ob „gut“ oder „böse“), sondern darum, was an sich gesagt wurde. An diesem Punkt erkennt man auch das gewohnte Verhalten, so manches nur deswegen abzulehnen, nur weil einem die Person „nicht passt“.

Dass das Konzept von „Gut und Böse“ nur ein Irrglaube ist (und dadurch in seiner Anwendung nur die eigene Entwicklung verhindert wird), zeigt sich in so manchem Film, wenn der „Filmbösewicht“ das eine oder andere von sich gibt, was den Menschen in seinen Sichtweisen in „dieser“ Realität betrifft.

„Verzeiht, ich weiß, ihr meint es gut. Ihr habt es nur nicht zu Ende gedacht. Ihr wollt die Welt beschützen, aber ihr wollt nicht, dass sie sich ändert. Wie kann die Menschheit gerettet werden, wenn sie sich nicht entwickeln darf?“ „Ultron“, Avengers: Age of Ultron, 2015

oder:

„Wenn ich etwas einwerfen dürfte. Auf der Erde könnte euch ein Führer durchaus nützen. Ich habe ein wenig Erfahrung auf diesem Gebiet.“ „Sofern man Versagen als Erfahrung betrachtet.“ „Ich betrachte Erfahrung als Erfahrung.“ Dialog „Loki“ (Gott des Schabernacks und der Täuschung) mit „Thanos“, Avengers: Infinity War, 2018

oder hier im Dialog:

„Wir haben keine Kontrolle über das, was das Leben mit uns macht. Die Dinge geschehen, ehe man um sie weiß. Und sobald sie geschehen sind, zwingen sie einen, andere Dinge zu tun. Bis man am Ende jemand geworden ist, der man nie sein wollte.“ „Nein. Wir können alle frei entscheiden und Sie haben sich entschieden. Manchmal findet man sein Schicksal auf Wegen, auf denen man dachte ihnen zu entgehen. Skarssen und diese Bank sollen sich für ihre Taten verantworten und ihre gerechte Strafe erhalten. Sie können mir dabei helfen.“

„Gerechtigkeit. Das ist nicht möglich.“ „Warum?“ „Ganz einfach, Agent Salinger. Weil ihre Idee von Gerechtigkeit eine Illusion ist. Verstehen sie nicht, dass das System, dem sie dienen, es niemals zulassen wird, dass der Bank oder Skarssen irgendetwas passiert. Im Gegenteil. Das System garantiert der IBBC Sicherheit, weil alle Welt darin verwickelt ist.“ „Was meinen sie mit „alle Welt“?“ Dialog zwischen „Oberst Wexler“ und „Agent Salinger“, The International, 2009

Die wesentliche Frage lautet, wenn von „notwendigen“ Veränderung gesprochen wird, ob man selbst wirklich Veränderung will oder ob man nur „so tut, als ob“, denn:

„Es ist leicht, Leute zu belügen, die sich schon selbst belügen.“ „Mysterio“, Spider-Man – Far From Home, 2019

Das hat wiederum etwas mit Authentizität oder mit dem gewohnten Rollenspiel zu tun. Für das Ausleben des Rollenspiels wird man in der Regel bezahlt/belohnt, weil daran anerzogen geglaubt wird, dass Arbeit, Geld und was da an Produkten und Dienstleistungen dabei herauskommen, etwas wert seien, wodurch er sich nicht nur selbst versklavt, sondern darauf die heutige Wirtschaft basiert,siehe: „Franz über die Entstehung der heutigen Ökonomie“

„Erst im Anerkennen dieser Realität können wir loslassen.“ „Frank“, Don’t Worry Darling, 2022

Man kann Kino nicht einfach damit abtun, indem man es als Fiktion deklariert, während man der festen Meinung ist, dass die Realität in der man existiert, keine Fiktion sei.

Das allein lässt sich bereits durch den Vergleich von positivem Recht (die Person betreffend) (Anmerkung: und allem was damit im Zusammenhang steht) und überpositivem Recht (den Menschen im Leben betreffend) ad absurdum führen – und auch, dass alles nur ein Glauben ist – je nachdem wie man konditioniert (Denk- und Verhaltensmuster) wurde und ob man bereit ist, darüber hinauszuwachsen.

Mit dieser Kenntnis, dass es sich nur um ein Glauben handelt, ist der Mensch auch in der Lage, dass IN was er sich bewegt, basierend auf seinen Denk- und Verhaltensmustern, auch wieder infrage zu stellen, um einen anderen Weg, als den bisherigen, einzuschlagen.

Reklame: „Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Bedeutungen, die wir den Dingen verleihen.“ Epiktet 2.0

Nachtragend: In der Rolle des Beitragsschreibers wünsche ich allen besinnliche Tage, auch wenn diese zur gegebenen Situation nicht froh erscheinen mögen oder mitunter von Euphorie und Ablenkung übertüncht sind.