Begriffe und ihre Bedeutung – Teil 18: die Projektion
Verwende ich den Begriff „Projektion“, so kommt es hin und wieder vor, dass „man“ diesen nicht verstehen würde.
Das geschieht dann recht häufig, wenn mir mal wieder jemand erzählt, er sei so etwas wie „beleidigt“ oder „verbal angegriffen“ worden, dass es sich dabei nur um eine „Projektion“ handele und dieser sich keine Gedanken zu machen brauche.
Und wie aus der Pistole geschossen antworteten bisher alle: „Das kann ich dem anderen aber nicht sagen. Der würde das ja nicht verstehen.“
Nicht selten üben sich jene kurz danach selbst in der Beleidigung des anderen – unter vier Augen natürlich.
Ein Projektor projiziert ein Bild auf eine Oberfläche, entweder kann man einen Film oder lediglich ein Dia sehen. Beim Menschen wird der Inhalt der Projektion in ihm selbst gestaltet und ist maßgeblich beeinflusst von den Programmierungen, die in seinem „Ich“ abgelegt sind. Ist darin ein Verhalten, sich gegen Veränderung zur Wehr setzen zu wollen, bewegt er sich recht fix im „Feindmodus“, sieht überall gerne „Feinde“, „Betrüger“, „Täuscher“, jene, die „nur sein Bestes wollen“ oder mal wieder „Freiheit und Demokratie sein Land gefährden“.
Dabei handelt es sich da nicht mal wirklich um Freiheit, sondern um bedingte, belohnte Freizügigkeit unter der Anerkennung einer Autorität. „Demokratie“ ist dabei lediglich ein überlagerndes Kunstwort für die gewohnte Hierarchie und Herrschaft der Vorgesetzten. vorgesetzte heißen sie nur, weil sich sich vor etwas davorsetzen. Auf diese Weise werden natürliche Regelwerke durch künstliche überlagert. Allem voran, die Unterbindung und Unterwanderung des natürlichen Entwicklungsprozesses des Menschen – innerhalb des Lebensprozesses.
Die Ursache dafür findet sich in der „ersten Hierarchie“: Das „Ich“, was über den Menschen herrscht, während dieser denkt, er sei sein „Ich“ und an seinen Verhalten (die in seinem „Ich“ abgelegt sind) festhält, die sich im wesentlichen durch Empfangen, Festhalten und Verteidigen zum Ausdruck bringen – nach dem Prinzip „vom mehr des Selben“, was man auch unter gesellschaftlich tolerierter Unvernunft verbuchen mag, die als „vernünftig“ deklariert wird.
„Ja, aber ich muss doch…“
Freunde sind alle, die den Menschen in seinen Verhalten und Handeln bestätigen (Die Freunde sollen ja nicht zu kurz kommen).
Ob Freund oder Feind bestimmt im Kern die Einstellung, ob jemand an Veränderung (im Klassischen: wenn „alles“ anders werden muss, jedoch in jedem Fall so bleiben soll) interessiert ist oder nicht (Feind). In der alten Ordnung, wird Andersdenken stigmatisiert und ausgegrenzt. Und mit „Andersdenken“ ist hier nicht das Gewohnte: „Ich bin dagegen und … muss weg!“ gemeint. Das ist jedenfalls kein Andersdenken.
Widerstand, Kampf und Flucht sind ebenfalls nur Verhaltensmuster gegen stattfindende Veränderung – durch Verdrängung. Da bekommen auch klassische Spiele eine vollkommen andere Bedeutung.
Was nutzt es?
Ist der Mensch im gewohnten Modus des Empfangens und Beibehaltens – also seiner Erstprogrammierung unter Fortführung seiner Betreuung – so wird er jede Information und jedes Handeln danach bewerten, ob sie zu seinem Nutzen ist, also der Mehrung des Bisherigen oder mindestens zur Erhaltung, Sicherung und Verteidigung geeignet ist.
„In einem Gefängnis, geschaffen aus Unvernunft und Gewissenlosigkeit, ist täglicher Kampf etwas Normales. Und wer überall Feinde sieht, darf sich selbst dabei nicht übersehen. Er ist nicht unschuldig.“
„Wir haben sie solange gereizt, bis sie uns angegriffen haben. Mir mussten uns natürlich zur Wehr setzen und haben sie dann getötet.“
„Das Opfer projiziert ein Feindbild. Es erschafft Feindbilder, um seine eigene Verhaltensexistenz rechtfertigen zu wollen und lässt sich durch andere beschützen, die es vorschickt.“
Junge Menschen, die unter der Bedingung aufwachsen: „Du bist solange gut, solange mir das gefällt“, werden sich früher oder später gegen das Wesen, was sie erschuf wenden: die Mutter.“
Wer mag, schaue sich die Serie „Mindhunter“ an. Bemerkenswert, dass man der Gesellschaft langsam an ein Thema heranführt, was jeden betrifft.
Der Mensch hat mit seiner (gewohnten) Fremdbestimmung und einhergehenden Außenorientierung auch jenes Werkzeug in fremde Hände gegeben, mit dem er durch sich selbst wachsen kann: die Psychologie – im Kern die abhanden gekommene Selbstreflektion.
„Dass das keiner verstehen würde“, entpuppt sich also mehr als eine Form der Ausrede, um weiter selbst die Verurteilungspeitsche schwingen zu wollen.
„Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden und nach dem Maß, mit dem ihr messt, werdet ihr gemessen werden. Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! – und siehe, in deinem Auge steckt ein Balken! Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen!“ Matthäus 7, 1-5
Man erntet immer das, was man sät. Man bekommt immer das, was man sich „nimmt“.
Und das zu entwickeln, dass man es selbst mehr und mehr Feindbildprojektionen unterlässt, ist eine wahre Herausforderung für alle, die sich allzu gerne im „Verurteilen“ von anderen üben – was nebenbei auch die üblichen Stigmatisierungen (Rechter, Linker, Nazi, USA-Gegner, Israel-Gegner, Putin-Versteher, neurechte Braunesoteriker, Reichsbürger, Terroristen, Antisemiten*, Ausländerfeinde &c.) betrifft.
„Ja, das dürfen Sie so denken.“
Je unbewusster der Mensch, umso eher lässt er sich auf das Spiel mit der Feindbildprojektion ein und wird so zu einer Realität des anderen und für andere.
Die Feindbildprojektion dient im Kern nur zur Ausgrenzung von unbekannten (ungewohnten) Informationen und möglichem Andersdenken, um damit verbundene Veränderungen der eigenen Gewohnheiten zuvorzukommen.
„Angst ist nur ein Signal der Verhaltensmuster, dass zu einer gegebenen Situation Informationen fehlen. Durch eine in der Kindheit erfahrene Bestrafung für „eigenständig erbrachte Informationen“ (also über die tolerierte Macht- und Wissensgrenze der Autorität hinaus), wirkt im Hintergrund nur die Emotion vor der erfahrenen Bestrafung und führt zu einem falschen Umgang mit dem, was als „Angst“ bezeichnet wird.“
„Gefahr! Alarm! Panik! Aktionismus!“
„Kann mir noch mal jemand das PDF mit dem Gewohnheitsrecht zuschicken?“
„Wir wollen, dass ihr es mal besser habt, als wir… wenn ihr so seid, wie uns das gefällt.“ (An dieser Stelle findet die eigentliche gesellschaftliche Erosion statt.)
Dass es hier um nahezu 100% der Zivilisation geht, die sich in diesen Verhaltensmustern bewegen, sieht man an der jeweils herrschenden, gesellschaftlichen Organisationsform. Jeder mag jetzt einmal raten, wie diese heißt: Hierarchie.
Wir hamm’s drauf!
Die Projektion funktioniert im Übrigen überall dort ganz prima (was nicht selten auch zu echten Feinden führt), wo man sich in der konditionierten Außenorientierung bewegt, die einem – zwecks Fortführung der Kontrolle und Aufrechterhaltung der Abhängigkeiten in der Kindheit untergejubelt wurde – in der Regel von der Mutter auf das Kind übertragen oder indirekt von der Großmutter auf den Sohn und dann das Kind.
Zeit umzudenken.
* das sind alle diejenigen, die von links nach rechts schreiben.