machbar
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Eine Zeitreise

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(v1.4*) Landläufig heißt es ja, man könne die Vergangenheit nicht verändern. Das mag solange stimmen, bis man sich mit dem Zitat von Epiktet näher auseinandersetzt: „Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben.“*

Somit ist ein Geschehnis stets nur ein Geschehnis, bis der Mensch – mehr oder weniger davon betroffen – diesem eine Bedeutung zuweist. An diesem Punkt wird es richtig spannend.

Erinnert man sich an eine Situation, die man bspw. als „ziemlich schräg“ in Erinnerung hat, so ist der betroffene Mensch dennoch Jahrzehnte später in der Lage, die Situation neu zu betrachten. Ob er das will, ist und bleibt seine Entscheidung. Er gestaltet sein Schicksal – nur das Opfer meint es nur zu ertragen und nichts ändern zu können.

Deshalb ist Meinungsmache in der alten Ordnung so wichtig, damit sich von der Betrachtung und Meinungsbildung her, möglichst nichts ändert. Wenn also „gestern“ alles besser gewesen sein soll, erkennt man daran seine konservativen Verfechter. Auf diese Weise lässt sich recht schnell feststellen, wer wo zu Hause ist – basierend auf gesellschaftlich anerzogenen und als „normal“ tolerierten Verdrängungskonzepten.

„Wenn gestern alles besser gewesen sein soll, dann muss es ja vorgestern noch besser gewesen sein. Also war es irgendwann so toll, dass man es jetzt gar nicht mehr aushalten kann.“

„In der Kneipe hängt ein Schild. Darauf steht: Morgen gibt es Freibier…“

Je weiter man sich in die eigene Erinnerungsvergangenheit wagt und sich nochmals mit den Geschehnissen auseinandersetzt, also hinterfragt und vor allem in Frage stellt, wirkt sich dies zunehmend auf das weitere Leben aus, was er aktuell lebt. Es lohnt sich also, sich mit den eigenen Erlebnissen nochmals auseinanderzusetzen.

Die Betrachtung geschieht im Wesentlichen unter drei Sichtweisen: Entweder in der Absicht, die bestehende Meinung beizubehalten oder die Fragen zu einer gegebenen Situation anders zu stellen (mit Hinblick auf die eigene Entwicklung), indem man die Fragen nicht im üblichen Sinne der Verdrängung stellt – oder/und beides. Das geht auch, da man zwei Sichtweisen über sich selbst entwickelt.

Allein deswegen schon, weil mit der gewohnten Prägung bspw. des Misstrauens und der selten hinterfragten Verdrängung, nur das bisherige Leben wiederholt gelebt wird.
Es sind die Denk- und Verhaltensweisen, die das bestimmen, nicht das noch so schön formulierte Wort, „dass es ja anders sei.“ Man darf sich also nicht wundern, wenn man nur das erlebt, was man in sich trägt.

Infragestellung und damit verbundene Auflösung bisher geltender Vorstellungen und Meinungen über ein Geschehen, ist vom Prinzip her das gleiche, wie die Nummer des „BVerfG“ mit dem Bundeswahlgesetz  vom 07.05.1956, was am 25.07.2012 rückwirkend seiner Geltung „beraubt“ wurde.

Mit dem Prozess der Infragestellung des bisher erlebten, verändert man zunehmend die eigene Sichtweise auf die Dinge, wie sie geschehen. Die Geschehnisse bleiben nach wie vor die Geschehnisse.

Das hat auch nichts mit Schönreden zu tun, das wäre nur einfache Denke. Mehr stellt sich die Frage, ob man etwas als lautstarkes Opfer betrachtet oder sich im Rahmen der eigenen Entwicklung aus der gewohnten Opferhaltung herausentwickelt,was durch niemanden anders, als man selbst behindert werden kann.

Was da „im Außen“ vor einem herumtanzt und -hampelt, erinnert einen nur daran, dass man bei sich etwas zu ändern hat. Da jedoch die Verdrängung vorherrscht („Die anderen müssen erst mal“), gestaltet sich das für den Einzelnen (in diesem Modus) – selbst entschlossen – recht schwierig, weil er zum einen a) nicht auffallen, b) keinen Verlust bei den zugestandenen Privilegien erleben und c) nicht ausgestoßen werden will.

Da nutzt es auch nichts, wenn man unter vier Augen den Hals aufreißt, während im offenen Raum der „gute Mitläufer“ gemimt wird. Das im Nachgang öffentliche Beklagen von Unsäglichkeiten, ist nur ein Schritt weiter.
Vorsorglich wird der Tatsache, dass man sich lediglich selbst und seine Denk- und Verhaltensweisen zu hinterfragen und in Frage zu stellen hat, nicht selten lächelnd heruntergespielt, für „Unsinn“ erklärt oder dies schlichtweg ignoriert wird.

Das jene Denk- und Verhaltensweisen – solange unhinterfragt – die das System selbst verkörpern, will so recht kaum jemand glauben schenken oder sich gar damit auseinandersetzen.

Bedeutungen von Geschehnissen beizubehalten, zu bewahren und zu verteidigen, ist eine dem Leben rückwärtsgewandte Haltung, denn erzeugt diese Haltung gleichzeitig eine Simulation von Leben. Geschehenes in Frage zu stellen ist ein Prozess der Loslösung von den bisherigen Bedeutungen. Aus diesem Grund ist Wandel zunächst ein Bedeutungswandel und erst im zweiten Schritt eine Veränderung im Handeln.

Neulich schrieb jemand zu einem Kommentar, dass jener in den Gedanken die „evolutionäre Komponente“ nicht erkennen würde. Das ist lediglich dann der Fall, wenn diese im Betrachter nicht vorliegt. Bevor man nach vorne schauen kann, ist die Infragestellung des Bisherigen unabdingbar. Diese jedoch nicht gewohnt oberflächlich, wie es in der Regel auch gelabt wird, sondern fundamentaler Ebene – nein, nicht beim „Higgs-Boson“.

Das System, indem sich gewohnt mental bewegt wird, wurde im Sinne der Bedeutungserhaltung(!) und seiner Verteidigung geschaffen und steht den Prinzipien des Lebens – Wandel, Veränderung und Anpassung gegenüber. Gleichzeitig ist die alte Ordnung notwendig, um durch ihre Infragestellung erst die Alternative zu erkennen.

P.S. Das System ist eine reine „Kopfsache“ – besser: eine reine Sache der Denk- und Verhaltensweisen, die es verkörpern.

Musikalische Untermalung:

* Das ist das Original. Es ist von seinem Sinn her richtig, jedoch wirkt es zu statisch und so habe ich es dann in der Art umformuliert: „Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Bedeutungen, die wir den Dingen verleihen.“