experimenter21
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Ja, Faschisten hier los?

Lesezeit: ca. 5 Minuten

(v1.1) Am 22.04.2020 veröffentlichte ich den Beitrag: „800m² – oder: Freiheit als Hässlichkeit“.
Es geht darin um das Phänomen des Faschismus.

Der wurde bisher den Deutschen und Italienern vorgeworfen, als ein Phänomen der 30er Jahre.

„Faschismus, ist nicht etwas, was man nur mit Mussolini oder Hitler in Verbindung zu bringen meint, während beide wegen ihres überraschenden Todes in diesem Jahr „leider“ verhindert sind.“

In so manchem Kommentar wies ich darauf hin und so mancher meinte die Angelegenheit „Faschismus“ auf die zwei verstorbenen Herren und somit auch in der Vergangenheit verweilen zu lassen.

Dass dem nicht (mehr) so ist, sieht man nun ganz nett in der Ukraine. Und so manche üben sich auch hier fleißig in der glaubhaften Bestreitbarkeit und/oder praktizieren ein schauspielerisch gekonntes Ignorieren oder gelangweiltes Dreinblicken.
Das ist auch ganz einfach erklärt. Solange Sie mit Ihrem „Ding“ so weitermachen, wie bisher, solange spitzt sich die Situation nur weiter zu.

Denn „die Nummer läuft“ nur deswegen, weil die Mehrheit der Bevölkerung wegschaut und sich durch ihr gewohntes Verhalten auf diese Weise mitverantwortlich macht.

Faschismus bezieht seine Existenzgrundlage aus der Erziehung zur Gehorsamsbereitschaft und Entsprechung.

Wer artig ist und entspricht, der wird belohnt. Wer selbst denkt und hinterfragt, wird bestraft. Belohnung für eigenständige Unterwerfung gegenüber Vorgesetzten und Autoritäten und Bestrafung für eigenständige Entwicklung, sind zwei Methoden der alten Ordnung, um den Menschen gängeln, fremdbestimmen zu können. Nicht zu vergessen, die liebe Korruption.

Jene in der Rolle der Unterworfenen (ob freiwillig oder mit Gewalt) und ihren Pendants die – ich nenne sie mal vereinfacht „Vorgesetzte“ – formen durch ihre Verhalten auf diese Weise eine hierarchischer Organisationsstruktur.
Faschismus ist kein personengebundenes Phänomen, wo man am Ende ein paar Schuldige in Nürnberg vor Gericht stellt. Es handelt sich um ein systemisches Phänomen und das geht dann immer alle an, auch wenn so mancher plötzlich in Beschäftigung verfällt und keine Zeit hat.

Dass die „braune Nummer“ mit Ende der Nürnberger Prozesse nicht vorbei war, sieht man am Einführungsgesetz über Ordnungswidrigkeiten (auch „Dreher-Gesetz“), was 24.05.1948 in Kraft trat (besser würde es heißen „in Geltung“). Wer sich einen spannenden Abend mit guten Erkenntnissen machen möchte, schaut sich dazu den Film „Der Fall Collini“ mit Franco Nero, Elyas M‘Barek, Manfred Zapatka, Alexandra Maria Lara und Heiner Lauterbach an.

Wer sich nun in der Welt umschaut erkennt, wo die Hierarchie überall zu Hause ist, und stets auf den gleichen anerzogen-entwickelten Denk- und Verhaltensmuster basieren. Damit die Hierarchie aufrechterhalten bleibt, werden den „Gläubigen“ wohlwollend Privilegien und „Grundrechte“ zugestanden, es sei denn jene sind so „patriotisch“, dass sie auch noch darauf verzichten, um den „Herren“ notfalls durch Kadavergehorsam dienlich zu sein.

Es ist sinnvoll, sich mit dem Experiment von Stanley Milgram über Gehorsamsbereitschaft und Autorität auseinanderzusetzen.
Dazu passend, der Film „Experimenter“ mit Peter Sarsgaard und Winona Ryder aus dem Jahr 2015, wie auch der Film „I, wie Ikarus“, mit Yves Montland, Henri Verneuil, Jacques Denis, Roger Planchon von 1979.

Die Phase, in der wir uns alle seit Längerem bewegen, macht uns auf ihre Weise darauf aufmerksam, den Dingen konsequent auf den Grund zu gehen, statt nur durch arbeiten, Geld verdienen und wieder ausgeben gehen und sich oberflächlich zu beklagen und zu jammern, zu glänzen.

Auf der anderen Seite gibt es auch jene, denen nicht daran gelegen ist, dass sich nicht zur Ursache dieses gesamtgesellschaftlichen Phänomens durch gearbeitet wird. Denn erst mit dem Erkennen der Ursache, lässt sich grundlegend etwas ändern. eine Angelegenheit, die man der klassischen Politik nicht überlassen sollte.

Nachtrag: Nicht zu vergessen, dass das Phänomen auch in anderen Ländern zu erkennen ist, jedoch wir hier die Aufgabe haben, das Rätsel zu lösen.

Nachträglicher Hinweis: „Wollt ihr den totalen Krieg?“ Josef Goebbels im Sportpalast, 1943

Literaturhinweis: Das Milgram-Experiment, Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autoritäten, Stanley Milgram, rororo-Verlag, ISBN 978-3-499-17479-7