Richter ringen mit dem Fall „Demmink“
(Volkskrant.nl, Toine Heijmans, Elsbeth Stoker 09.09.2013) Richter haben es schwer mit den kommenden Rechtsangelegenheiten rund um den ehemaligen obersten Justizbeamten Joris Demmink. Weil sie jeden Schein von Verstrickungen vermeiden wollen, ziehen sich zwei Gerichtshöfe und ein Richter aus Rotterdam zurück. Der Rotterdammer Richter lässt sich entschuldigen. Die beiden Gerichtshöfe in Den Haag und in Den Bosch haben eine Klage aus demselben Grund nach Arnheim durchgereicht.
Demmink war zehn Jahre lang der höchste Beamte im Justiz-Ministerium und kennt dadurch viele Richter und Mitarbeiter persönlich. Er wird mit unbewiesenen Anschuldigungen wegen Kindesmissbrauch belastet und strebte eine Sache gegen das „Algemeen Dagblad“ (Deutsch: Allgemeine Tageszeitung) an, das darüber berichtete.
Der Richter Th. Veling, der dazu kommende Woche eine Sitzung haben sollte, will sich jedoch zurückziehen. „Es geht hier lediglich nur um die Möglichkeit einer Befangenheit“, schreibt er in einem Brief an die Kammer, um diese dort geltend zu machen.
Diskussion
Bevor Veling 2009 Richter wurde, arbeitete er als Jurist im Ministerium für Inneres und bei der Oberstaatsanwaltschaft, wo er im Namen des Justizministeriums auftrat. Demmink selbst sei er „nie begegnet“, schreibt er. Aber trotzdem hat Veling Angst, dass eine Diskussion über ‚die Person des Richters‘ stattfindet.
Aus demselben Grund wagt sich der Gerichtshof in Den Haag nicht an eine Sache gegen Demmink, die durch die Rechtsanwältin Adèle van der Plas angestrebt worden ist. Viele der betroffenen Ratsherren kennen den beklagten Demmink nicht nur berufshalber, sondern teilweise auch persönlich, steht in einem Beschluss vom Mai. „Auf Grund notwendiger Sorgfältigkeit und um den Schein von Voreingenommenheit zu vermeiden, wird die Sache an den Gerichtshof in Den Bosch verwiesen.“
Machtsmissbrauch
Auch dieser traut sich nicht an die Sache heran und überlässt es dem Gerichtshof in Arnheim-Leeuwarden. Grund ist, dass Den Bosch zwei andere Prozesse laufen hat, die jene von Demmink berühren. Der Hauptverdächtigte beschuldigt darin den „obersten Beamten“ wegen Machtsmissbrauch. „Aus diesen Gründen ist es nicht wünschenswert, dass die Verhandlung von den vorher genannten Anklagen durch Ratsherren durchgeführt werden, die am Gerichtshof von Den Bosch beschäftigt sind“, steht in einem Brief vom Juni an die Kollegen in Arnheim-Leeuwarden. Die Sache steht dort auf der Agenda für den 18. Oktober.
„Es geschieht öfters, dass ein Richter sich zurückzieht, aber was sich hier abzeichnet, kommt mir sehr absonderlich vor“, sagt Henny Sackers, Professor an der Universität in Nijmegen.
„Zwar machen die Entscheidungen einen integeren Eindruck, aber nach außen erweckt es zugleich den Eindruck, dass Richter keine Lust auf die Sache „Demmink“ haben“, so Rechtsanwalt Matthijs Kaaks.
Kein Beweisgrund
Das Ministerium findet, dass die Verfolgung von Demmink nicht notwendig ist, weil die Gerüchte über ihn keinen Beweisgrund haben. Auch nachfolgende Justizminister haben erklärt, dass kein Handlungsgrund besteht. Mit einem sogenannten Artikel-12-Prozess probiert der Rechtsanwalt Van der Plas doch noch eine Verfolgung von Demmink zu erzwingen. Der Gerichtshof muss nun entscheiden, ob das Ministerium doch noch zu verfolgen hat, was zum Beispiel auch in der Rechtssache gegen Geert Wilders von der PVV geschah.
Sowohl der Gerichtshof in Rotterdam als auch die Gerichtshöfe in Den Haag und Den Bosch sind durch Rechtsanwälte auf mögliche Verstrickungen hingewiesen worden. Wenn sich die Richter nicht von sich aus zurückgezogen hätten, wären sie ziemlich sicher während der Sitzung aufgedeckt worden, was mit großem Aufsehen verbunden gewesen wäre.
„Nicht einfach jemand“
„Demmink ist nicht einfach jemand“, sagt der Rechtsanwalt Matthijs Kaaks. „Er war zehn Jahre lang der mächtigste Mann in der Justiz. Es handelt sich um ein Dossier, woran sich niemand seine Finger verbrennen will. Sehr viele Menschen kennen ihn, oder haben mit ihm gearbeitet. Das erschwert die Verfolgung und macht sie vielleicht sogar unmöglich.“
Juristen nennen dies einen „negativen Gerichtsstandsstreit“, sagt Sackers. Er weist darauf hin, dass es eine gesetzliche Lösung gibt, nämlich dass der Gerichtshof Amsterdam oder auch der Hoge Raad (Hoher Rat) einen Gerichtshof damit beauftragt. Darzu gibt es in der Fachliteratur einige bekannte Fälle, vor allem in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg.
Quelle: De Volkskrant (Die Volkszeitung) vom 09.09.2013