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Von einer Welt in die nächste – für meine beiden Söhne

Lesezeit: ca. 8 Minuten

Lieber Jonathan, lieber Maximilian,

wenn man klein ist, kommt einem die Welt so groß vor.

Erst später erkennt man, dass in der Regel nur mit Wasser oder noch weniger gekocht wird – aber immer schön „Contenance“ und den Schein wahren. Und so geht man seinen Weg: Tag aus, Tag ein. Gewohntes. Selten etwas hinterfragend. Es war ja schon immer so. Und was die Großen sagen, muss wohl richtig sein.

Spätestens irgendwann bekommt man einen „eigenartigen“ Satz in die Ohren gedrückt: „Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, machst Du das, was ich will.“ Dann wird es irgendwie komisch. Es stellt sich so ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend ein, was man irgendwie nicht losbekommt.

Zumindest mir ging es schon immer so, dass irgendetwas nicht zu stimmen scheint, denn fühle ich mich von Anfang an fremd in dieser – nennen wir sie mal „Welt“.

Welt ist jedoch nicht Erde. Die „Welt“ (Weltanschauung) ist eine Ansammlung von Konventionen (also gesellschaftlich vereinbarten Regeln), wie wir das, was wir das wahrnehmen, beschreiben und damit umgehen. Gewöhnlich werden diese Regeln nicht hinterfragt, denn das bedeutet Ausgrenzung aus der Gesellschaft.

Irgendwann erkennt man, was so die Prinzipien sind, nach denen die Familie, das Umfeld und letztlich eine ganz Gesellschaft lebt und sich mit Bedingungen „arrangiert“, die alles andere als menschenwürdig sind – ja sogar gegen das Leben und seine Prinzipien selbst wirken. Aber wie die Leute so sind: „Man kann ja eh’ nichts ändern.“ Als ich noch keine zehn Jahre war, musste ich mir das schon anhören – bis es mir auf den Wecker ging.

Und nicht selten folgt jener Moment, mit diesem einen Satz: „Wir wollen, dass ihr es später mal besser habt, als wir.“

Mein Gott, man ist ein Kind, und schnell ist er wieder vergessen – bis jener das kommt, wo es heißt: „Wenn du das nicht machst, was wir wollen, dann haben wir dich nicht mehr lieb.“ Das sind dann so Momente die einem zunächst so richtig an die Nieren gehen. Das geht aber auch nur solange, bis man erkennt, dass es lediglich die Zurschaustellung der inneren Welt des Aussagenden selbst darstellt. Jedoch mag das nicht das Thema sein.

Vielmehr gelangt man irgendwann an einen Punkt, wo man merkt, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Und dann hört man diesen einen „anderen“ Satz: „Es geht nicht um uns, sondern um unsere Kinder.“

Und dann beginnt man das „Dargebotene“ Stück für Stück auseinanderzunehmen.

„Das haben wir schon immer so gemacht“, hat irgendwann nur noch eine Bedeutung: überholt.

„Watson, wo ist meine Pfeife?“

Ganz nebenbei erkennt man, dass die Aussage: „Wir wollen, dass ihr es später mal besser habt, als wir“, in Verbindung mit „Du bist solange gut, solange uns das gefällt“, ein riesiges Lügenmärchen eines gesellschaftlich vereinbarten Selbstbetrugs aufdeckt. Auch das soll nicht das Thema sein.

Vielmehr geht es darum, dass sich wirklich „etwas“ verändert und so wird weitergebohrt. In der Regel zieht man sich so manchen Unmut zu, weil man die „gewohnte Ordnung“ in Frage stellt – denn da hängt wirklich alles dran.

Heute mag ich sagen, dass ich diese Aufgabe gern angenommen habe und auch weiterhin mit Begeisterung nachgehe. Doch auch mit der ernüchternden Erkenntnis, dass es zum einen nicht von heute auf morgen geht und es Gelassenheit, Beharrlichkeit und Ausdauer bedarf. Und wie man sieht, sind es bei mir bereits elf Jahre.

Ich mag hier hinzufügen, dass man irgendwann an einen Punkt gelangt, wo man erkennt, dass man eine Menge „Menschen und Gewohntes“ auf dem Weg „zurückgelassen“ hat – zumindest sieht das aus gewohnter Sicht so aus.

Und dann wird einem bewusst, was es bedeutet, wirklich an einer Ordnung zu rütteln, über die sich auch die sogenannten „Systemaussteiger“ (zumindest alle die ich kennengelernt habe), nicht einmal Gedanken gemacht zu haben scheinen – oder es in der Regel als nicht so wichtig erachten, während sie noch immer versuchen, sich auf Recht und Gesetze berufen zu wollen. Dies, während sie noch nach jenen Konditionierungen funktionieren, die die Grundlage eines Systems bilden, was sie gleichzeitig zu verlassen versuchen. Das nennt man dann: die Waschmaschine.

Bald erkennt man, dass man in der Tat „sein Ding machen“ muss, weil die Themen des sich zunehmend ausdünnenden Restes an „Mitstreitern“ als vereinbarte „Beschäftigungsplätze“ entpuppen, bei denen man irgendwann den winzigen Ausgang erkannte.

Zwar kann man jedem davon erzählen, doch erntet man in der Regel nur Unverständnis – oft genug erlebt.

Die Mehrheit bewegt sich noch immer in einer Weltvorstellung, wo sie sich als die „Guten“ sehen. Diese Vorstellung erfordert natürlich auch das Vorhandensein von „Bösen“. Ein Sachverhalt, der Potential für Infragestellung grundlegender Art in sich trägt. Gleiches gilt für Recht und seine Gesetze, die nur dazu gedacht sind, die gesellschaftlich vereinbarte und beibehaltene Unvernunft bekämpfen zu wollen – also was „von gestern“.

Aber das sind Dinge, die zu erkennen, Ihr beiden noch vor Euch habt.

„Der Terrorist im fremden Land, ist der Held im eigenen.“

Diese Erfahrungen und damit verbundene Erkenntnisse kann jedoch nur jeder selbst machen. Und das ist der Moment, wo man wirklich erkennt, dass dies die Zeit ist, in der Tat seinen eigenen Weg zu gehen und „Masse bilden“ nur den Versuch darstellt, am Gewohnten nur festhalten zu wollen.

Und so löst sich eine Konvention nach der anderen auf und es zeigt sich, worauf es wirklich ankommt und was meine eigentliche Aufgabe ist und das einfach mehr erforderlich ist, als vom gewohnten Sofa etwas bewirken zu wollen. Es erfordert Entschlossenheit und Handlung – alles zum rechten Zeitpunkt.

Was sich nämlich ändert ist die Weltanschauung, also etwas, was zunächst im Kopf stattfindet, wo zum Beispiel das Hinterfragen des Rechts und seiner Gesetze nur ein winziger Schritt ist, der nicht damit endet, andere Gesetze als gültig zu erachten – und allem, was damit im Zusammenhang steht.

Zum rechten Zeitpunkt werden wir uns sehen und irgendwann werdet Ihr es auch erkennen und verstehen.

Ich liebe Euch. 🙂

Herzlichst
Euer Papa

P.S. Das mag auch alles sehr abstrakt klingen, doch würde eine klare Ausführung zu weit führen.