Das System, Teil 2: Gewohnte Erziehung
(v1.0) Ob das System mit Absicht oder mehr oder weniger unbewusst entstanden ist, spielt im Grunde keine Rolle, solange die Aufgabe, sich darüber zu erheben, beim Menschen ausgemacht werden kann.
Es lässt jedoch vermuten, dass das bisherige System aus dem Grund entstanden ist, sich über ein zunächst als Chaos wahrgenommenen Zustand erheben zu wollen, wo die spätere Ordnung darin bestand/besteht, seinesgleichen später kontrollierbar in Gehorsamsbereitschaft und Entsprechung zu erziehen, während die eigene Position eines Erhabenen über das junge Leben gleichzeitig gesichert bleibt.
„Und Gott* segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“ 1. Buch Mose, 1,28
* Mal ungeachtet, dass der Begriff „Gott“, wie auch „Allah“, „HaShem“ usw. lediglich Personifizierungen des Lebens selbst sind, während man sich ja kein Bild machen soll. Das hat zur Folge, dass sich der Mensch, eben durch die Personifizierung unbewusst darüber vom Leben abtrennt.
Damit das funktioniert, bedarf es jedoch der Vernunft und einem nicht unerheblichen Maß an Gewissen, was jedoch jedermanns eigene Erfahrungen bedarf und nicht im üblichen Sinne dem, was vorgegeben(!) „gut und richtig“ sein soll.
„Die Menschen sind seltsam. Sie denken Ordnung und Chaos wären im Grunde genommen Gegensätze und wollen das Unkontrollierbare kontrollieren. Doch es liegt Anmut in ihrem Scheitern.“ „Vision“, Avengers: Age of Ultron, 2015
Für das „Chaos“ bedarf es demnach einer anderen, als gewohnten Bedeutung.
Gewohnte Erziehung vermittelt – im Sinne von „gibt weiter“ – nicht nur den „Stand“, sondern auch gleich die Methoden (Belohnung und Bestrafung) und Wertvorstellungen, mit dem die Beziehung zwischen dem Untergebenen und seinen „Herren“ aufrechterhalten wird.
„Seither wurde den Menschen jedes nur erdenkliche Gebot gelehrt, dass den Schöpfer in ihnen zerstört. Den Menschen wurde Abhängigkeit als Tugend gelehrt. Doch nur der Mensch, der versucht für andere zu leben, ist ein Abhängiger. Er ist schon seiner Haltung nach ein Parasit, und er macht Parasiten aus denen, denen er dient. Die Beziehung führt zu nichts, als die gegenseitige Verdorbenheit. Sie ist konzeptionell unmöglich.
Das, was ihr in Wahrheit am nächsten kommt, der Mensch, der lebt, um anderen zu dienen, ist der Sklave. Doch wenn schon körperliche Sklaverei anstößig ist, wie viel mehr anstößiger ist dann das Konzept der Sklaverei des Geistes. Dem eroberten Sklaven bleibt ein Rest von Ehre. Ihm bleibt der Verdienst Widerstand geleistet zu haben und seine Situation als schlecht zu betrachten.
Doch der Mensch, der sich freiwillig im Namen der Liebe versklavt, ist die niederträchtigste aller Kreaturen. Er verachtet die Würde des Menschen und entwürdigt das Konzept der Liebe. Aber genau das ist das Prinzip des Altruismus.“ Verteidigungsrede des „Howard Roarks“, „The Fountainhead“ von Ayn Rand, 1943 (Quelle: Youtube)
„Du bist solange gut, solange mir das gefällt.“
Belohnt wird man dafür, wenn man den „Gepflogenheiten“ entspricht, während man dafür bestraft wird, wenn dies nicht der Fall ist.
Eigenständige Erfahrungen und Erkenntnisse werden mitunter bestraft, wenn sie möglicherweise den „Status Quo“ des auch in der Autorität vorhandenen Systems und damit ihre Position gefährden könnte.
Das Signal „Angst“, dass einem zu einer gegebenen Situation nur Informationen fehlen, die es zu erfahren gilt, wird mit jeder Bestrafung mehr zu einem Signal für mögliche Bestrafung und so deckelt man den Menschen/sich der Mensch selbst vor seiner eigenen Entwicklung, in der Vorstellung, nur noch Schmerzen vermeiden zu wollen.
Was mitunter eine Erklärung dafür sein kann, warum immer Veränderungen „bei anderen“ oder „woanders“ gefordert werden, während die Fordernden insgeheim nicht von Veränderungen betroffen sein wollen – ein Phänomen des Systems – das „so tun, als ob“.
So mancher kasteit sich geistig oder sogar körperlich bereits selbst, lebt jeden Tag in der Angst möglicherweise(!) für etwas bestraft zu werden.
Indem man ihm die auf Erhaltung der „freiheitlich demokratischen Ordnung“,„verfassungsmäßigen Ordnung“ oder auch „öffentlichen Ordnung“ orientierten Richtung vorgibt, beschreitet er einen sehr schmalen Pfad, wo ihm weiterer Schmerz möglicherweise(!) erspart bleibt.
Hat er dies erst einmal so angenommen und verinnerlicht, ist auch eine weitere Bestimmbarkeit über seine Existenz gewährleistet, und man kann mit ihm machen, was man will.
Als oberste Vorstellung steht dann die Bestimmung über sein Leben, was man mit reichlich Inszenierungen usw. zu gefährden in der Lage sein kann.
„Es ist keine Pandemie dafür nötig, dass sich die Menschen impfen lassen… nur die Angst vor einer Pandemie.“ „Wilson Wilson“, Utopia, 2013/14
Dadurch dass man ihn für gewohntes Verhalten belohnt, in dem man ihm etwas gibt, was ihm dann gehören würde, macht ihn von der Autorität abhängig.
Die Vorstellung von Eigentum, Besitz, Hab und Gut, dass ihm etwas, jemand oder gar das Leben gehören würde, sorgt dafür, dass er auch weiterhin gehorcht, da er das Erhaltene ja auch wieder verlieren könnte. Und je mehr er davon überzeugt ist, desto intensiver sind auch seine Bemühungen „sein Eigen“ verteidigen zu wollen – die Grundlage heutiger Konflikte.
Neben der Schmerzvermeidung und dem verdrehten Umgang mit dem Signal „Angst“, bilden sich aus der gewohnten Erziehung ebenfalls Verdrängungskonzepte wie Kampf, Flucht, Widerstand, Ab- und Ausgrenzen, Sichern, Schützen, Verteidigen, Ausreden, weiträumige Toleranz, Ignorieren, Beratungsresistenz, allg. Unglaube, Lügen usw. wie auch die allseits bekannte Schuldzuweisung.
Aus der gewohnten Erziehung geht eine wesentliche Organisationsform die Hierarchie hervor, die sich dann mit den üblichen Wertvorstellungen aufrecht erhalten lässt, während die Privilegien von einer Autorität wohlwollend zugestanden werden, ebenso wie „Grundrechte“, an die sich die Autorität solange hält, wie die „Ordnung“ aus Untergebenen und ihren Erhabenen nicht gefährdet ist.
„Was der Mensch schuf, kann er wieder ändern. Was das Leben schuf, ist dem Mensch nicht möglich. Er kann es nur ignorieren und mit noch so viel Künstlichem zu überlagern versuchen.“
Ändert sich die jedoch Situation, werden Privilegien und Grundrechte entweder eingeschränkt oder gar ganz aufgehoben. Warum das geht?
Weil es nur anerzogene Vorstellungen sind, man verfüge über Eigentum, Besitz, Hab und Gut, dass einem etwas, jemand oder gar das Leben gehören wie auch dass man „Rechte“ hätte, „einem etwas zustehen“ würde. Der gewohnte Denker in seinem eigenen Kopfknast – geführt von seinen Autoritäten, denen er gehorchen muss, um belohnt zu werden.
„Man kann Macht über andere Menschen ausüben, solange man ihnen etwas gibt. Nimmt man einem Menschen aber alles, dann hat man seine Macht über ihn verloren.“ Aleksandr Solzhenitsyn
Wer „hat“ kann es nicht nur verlieren, er bezahlt notfalls auch dafür, dass er es behalten darf 0 durch Steuern, Abgaben, Mieten usw.
Deutlich erkennbar, dass sich die Gesellschaft selbst und gegenseitig ausbeutet und unterdrückt – manchmal unter Zuhilfenahme der Rolle des unschuldigen Opfers der Umstände („Ja, aber ich muss doch auch leben.“).
Erbschaft ist somit auch nur der Akt, durch das Weitergeben von Besitztümern, auch den Status der Fremdbestimmbarkeit zu übertragen.
„Eigentum verpflichtet… zu Gehorsam.“
„…Nimmt man einem Menschen aber alles, dann hat man seine Macht über ihn verloren.“
Aus der Nummer gelangt man nicht, indem man nur lange genug für „seinen Besitz“ kämpft oder sonst was im üblichen Sinne traktiert, sondern indem man sich mit dem Gedanken auseinandersetzt, dass niemandem je etwas, noch jemand, noch das Leben selbst gehört hat.
An dem Tag, wo man das wirklich realisiert, es einem bewusst wird, kann man auch nichts mehr verlieren.
„Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Bedeutungen, die wir den Dingen verleihen.“ Epiktet 2.0
Einmal mehr, dass es doch nicht einfach nur „nette Philosophie“ ist, und man „in Wahrheit“ ja für sein „Überleben“ kämpfen und notfalls auch betrügen muss.
„Es ist leicht, Leute zu belügen, die sich schon selbst belügen.“ „Mysterio“, Spider-Man – Far From Home, 2019
Neben den Verdrängungskonzepten existiert die anerzogen/entwickelte Feindbildprojektion, wo der „Feind“ im ersonnenen Gegner erkannt wird, jedoch nur eine Erfindung der eigenen Denk- und Verhaltensmuster (Personifiziert (eingehüllt) durch den Ausdruck „Ich“) ist.
Da das Gegenüber in der Regel genauso erzogen wurde, unterscheiden sich die Gegner einer Ost/West-Konfrontation vom Prinzip her nicht.
Lediglich der auf beiden Seiten getrübte Blick durch die Vorstellung von „gut und richtig“ sowie einem möglichen Verlust von Dingen, lässt beide ein Spiel spielen, von dem beide Seiten felsenfest überzeugt sind, es sei „alternativlos“ und deswegen auch „ernst“.
Doch ist die geglaubte Alternativlosigkeit nur eine anerzogene Illusion.
In der gewohnten Erziehung geht es auch nicht darum, was man ist, sondern was man erst einmal werden soll.
Und so rennt so mancher sein Leben lang in der Gegend herum, um was zu werden, während er sich dabei von sich selbst abwendet und sich auf Haben und gesellschaftliches Ansehen konzentriert. Wer nichts hat, der „ist“ nichts. Alles oder Nichts.
Sicher ist es um einiges komplexer, doch geht es mir darum, dem Menschen etwas an die Hand zu geben, wo er möglicherweise auch erkennt, dass er es selbst in der Hand hat, wo er nicht darauf warten, dass seine „ungerechten Herren“ Mitleid und Einsehen mit ihm haben, wenn er nur lange genug klagt, jammert und sich beschwert (Anmerkung: In der größeren Gruppe nennt sich das Demonstrieren oder Protestieren) oder er in der Hoffnung lebt, mit der nächsten Wahl endlich seine „gerechten Vorgesetzten“ gefunden zu haben.
Und wenn dies nicht der Fall ist, so hofft er, dass andere kommen, um ihm vom (selbstgeschaffenen!) Leid und der erfahrenen (durch Erziehung begünstigte) Unterdrückung zu befreien.
Jedoch wird er nicht wirklich befreit. Er arbeitet dann nur für andere „Herren“.
Darüber zu bestimmen, was für den oder die anderen Menschen „gut und richtig“ sein soll, sorgt dafür, dass diese sich nicht wirklich in Vernunft und Gewissen durch eigene Erfahrungen entwickeln können und gleichfalls eine „hingebogene“, auf rückwärts orientierte Existenz führen, wo „Gestern“ deswegen „alles besser gewesen“ sein soll, weil es „gesünder war, auf die Autorität zu hören, damit man „dazugehört“ hat.
Das mit dem „gehören“ eines Menschen findet mit jeder Geburt von Leben seinen Anfang, denn das, was sich da zur Welt bringt, ist ein Geschenk des Lebens an sich selbst und nicht einfach „meine Tochter“ oder „mein Sohn“, wo aus einer anfänglichen Betreuung über die Zeit eine Beherrschung bis hin zur Diktatur entsteht.
Die wesentliche Frage lautet demnach: Wird das junge Leben einmal mehr zu einem gehorsamen Untertanen werden, der weisungsgebunden das macht, was andere von ihm erwarten oder handelt es sich um eine „unbefleckte Empfängnis“.
Es obliegt der Frau (Maria), ob dem so ist oder sein wird, denn sie bringt alle Wesen zur Welt.
Gleichzeitig sorgt die so verbleibende „Unvernunft“ und mitunter „Gewissenlosigkeit“ für das Vorhandensein der Rolle der Autorität und damit verbundener Kontrolle über andere, die einmal mehr weiter darüber zu bestimmen meint.
Das Leben stellt jedoch keine „Führerscheine“ aus, noch stellt es Ansprüche auf Eigentum und Besitz.
„In drei Worten: Sind Mutanten gefährlich?“ „Ich bedaure, aber dies ist eine unfaire Frage, Senator Kelly. Jeder, der sich hinter das Steuer seines Wagens setzt, kann eine Gefahr bedeuten.“ „Deswegen stellen wir ja auch Führerscheine aus.“ „Ja, aber nicht für das Leben.“ Dialog „Senator Kelly“ mit „Jean Gray“, X-Men, 2000
Es handelt sich lediglich um eine geschaffen-anerzogen-gelebte Illusion, ihm würde etwas, jemand oder gar das Leben gehören, weshalb er sich auch selbst Gesetze schuf, um sein Denken und Handeln und damit verbundene Werte rechtfertigen und verteidigen zu wollen.
Gesetze, die jedoch nur Personen betreffen, nicht den Menschen selbst, der jedoch irriger Weise glaubt, er sei die Personen, die er unhinterfragt, gewohnt, konkludent annimmt oder die ihm mitunter angedichtet werden, wenn er nicht den „gesellschaftlichen Gepflogenheiten“ (Anmerkung: den gesellschaftlichen Denk- und Verhaltensmustern, tolerierten Sichtweisen, unter Einhaltung von Tabus,) entsprochen hat.
Hier lässt sich auch das Vorhandensein zweier Systeme erkennen: Der Mensch, der sich anerzogen für seine Person (Rolle, Hülle, Maske) hält und der Mensch, der in der Auseinandersetzung mit dem gewohnten System erkennt, dass er eine Person nur spielt oder auch nicht mehr spielt.
Sich für seine Person, also die Rolle zu halten, sorgt in einer gewissen Menge auch für reichlich Scheinwelten, die sich der Mensch aufgrund seiner Unwissenheit darüber selbst geschaffen hat.
„Da ist so eine Grundeinstellung da draußen. Da geht was ab, da ist so viel Hoffnungslosigkeit. Was sollen wir da machen?“ „Das ist nicht leicht zu beantworten, aber wenn… vielleicht gelingt es uns durch das Fernsehprogramm oder auch durch andere vorstellbare Programme den Menschen klar zu machen, dass jeder Einzelne von ihnen wirklich wertvoll ist.“ „Ja, und das geht schon in der Kindheit los. Wir dürfen nicht unterschätzen, wie wichtig sie ist.“ „Ich glaube nicht, dass sich jemand gut entwickeln kann, wenn er nicht als derjenige akzeptiert wird, der er ist. Man hört so oft den Satz: „Oh, wenn du mal groß bist, wirst du es zu etwas bringen.“ Das sagen so viele in diesem Land. Das heißt, ein Kind wird also für das wertgeschätzt, was es mal sein wird und nicht für das, was es ist. Es wird eines Tages ein großer Konsument. Und je schneller wir die Kinder aus dem Nest werfen, damit sie unsere Produkte kaufen können, desto besser.“ Dialog „Arsenio Hall und Fred Rogers“, Der wunderbare Mr. Rogers, 2019