Über das Prinzip der Bedingungslosigkeit
(V.1.1) Um ein durchgängiges schön Daherreden zu vermeiden, schreibe ich die Beiträge in dem Sinn, dass der Leser selbst die Entscheidung trifft und den Prozess der Infragestellung selbst vollzieht, was über die gewohnte, konditionierte Pauschalablehnung hinausgeht.
Nachdem nun – jemand sagte einmal liebevoll – „eine kleine Unendlichkeit“ vergangen ist und die alte Ordnung und die sie erzeugenden Bedingungen offenbart zu sein scheinen, kam heute Morgen der Gedanke, wie das Handlungsprinzip zur schrittweisen Auflösung bestehender Bedingungen allgemein formuliert lauten könnte:
„Das Leben ist ein langer Fluss. Und wo immer er verunreinigt, verengt, begrenzt und unterbrochen ist, sorge dafür, dass er wieder klar fließen kann.“
Der wesentliche Engpass, der dem Menschen in der Regel begegnet, ist die gelebte Unvernunft in ihm selbst, die sich über die Bedingung: „Du bist solange gut, solange mir dies gefällt“, gebildet hat.
Fremdbestimmung entspricht im Kern einer „mentalen Besetzung“.
Wem das natürlich auf den Keks geht, tut gut daran, es selbst anders vorzuleben, statt es gewohnt „von anderen“ zu fordern (Verdrängungsverhalten: Die „anderen“ müssen erst…).
„Staat = statisch; Leben = dynamisch, fließend“
Die anfängliche Aufgabe der „Erziehung“ erfordert zunächst eine „natürliche“ Fremdbestimmung (Fremdregulierung) über den jungen Menschen. Dies solange, bis die notwendigen Selbstregulierungsmechanismen wirksam sind.
Zunehmend selbstständig sein, bedeutet zunehmend selbständig zu handeln – stark verinfacht ausgedrückt.
Doch transformiert sich diese Natürlichkeit der Fremdbestimmung durch die wiederkehrende Handlung jedoch in eine künstliche Gewohnheit, statt im übergeordneten Kontext zunehmender Selbstbestimmung (und damit verbundener Begleitung) durch Selbsterfahrungen sich so einen zunehmend selbstdenkenden Menschen entwickeln zu lassen.
Nicht selten herrscht in den elterlichen Köpfen das Muster des „entweder… oder…“, also grundsätzliche und sofortige Selbstbestimmung (was Blödsinn ist) oder(!) fortgeführte Fremdbestimmung.
Ein Zeichen elterlicher Fortführung gewohnter Gedankenlosigkeit und Grund, warum man niemandem eine Schuld zuweisen kann, konnten sie es ja nicht anders wissen. Denn alles braucht seine Zeit.
„Papa? Sind Väter immer klüger, als ihre Söhne? „In der Regel schon, mein Sohn.“ „Papa? Wer hat die Dampfmaschine erfunden?“ „Das war James Watt, mein Sohn.“ „Papa? Warum hat der Papa von James Watt nicht die Dampfmaschine erfunden?“
Was gewohnt unter „Erziehung“ verstanden wird, ist nicht selten nur ein Oktroyieren (Auferlegen) bestehender „Regelwerke“, um eine gesellschaftliche Gleichschaltung bewerkstelligen zu wollen – in der Regel „unbewusst“.
Gleichschaltung (Standardisierung) im Rahmen stattfindender Möglichkeiten und damit verbundenem Aufwand für die tägliche Kontrolle und der Grund, warum „Big Mother“ es mit ihren Schäfchen so leicht hat.
Denn aus gleichschaltenden Denk- und Verhaltensmuster können, solange sie unbetrachtet bleiben, nur selbige Muster wieder erstehen. Die wenigen „Andersdenken“ kann man ja da getrost „vernachlässigen“ – was in der Regel mit Ignorieren (Verdrängung im eigentlich Sinne) zunächst abgetan ist. Und wenn es allzu offensichtlich ist, greift man zum beliebten Mittel „der öffentlichen Stigmatisierung“.
„He, du bist doch sicher ein Reichsbürger…“
Natürliches Wachstum ist ein Phänomen des Lebens, wo ein Grashalm nicht schneller wächst, wenn man an ihm zieht und zu jener Pflanze wird, die ihm im Kern vorbestimmt (angelegt) war.
„Du bist solange gut, solange mir das gefällt.“
„Sei, wer du schon immer warst.“
„Ich bin, der ich bin.“
Das Aufwachsen, statt gewohntem „Erziehen“, erfordert wiederum die Anerkennung eines dynamischen und wechselseitigen Vorgehens zwischen elterlichem Beobachten und „Schubsen“, statt eines in festen Regeln gegossenen „Standards“ gewohnter(!) Verhaltensmuster (Gesetze) und damit verbundenem, „bedingungslosem“ Gehorsam, nach dem man sich zu richten hat – die jedoch nach Belieben von der Autorität „interpretiert“ werden.
„Mache es so, wie ich es dir sage, nicht jedoch, wie ich es mache.“
„Du machst jetzt, was ich dir sage! Hörst du schwer?“
„Jetzt haben wir der Oma schon zwei Hörgeräte gekauft, und sie hört immer noch nicht.“
„Früher sagte man: Vormachen, nachmachen lassen, auslachen.“
„Solange du meine Füße unter deinen Tisch stellst, bist du schon ein ganz guter Menschenfresser geworden.“
Spaß beiseite. Jene, die ich dazu befragt habe, kennen den eigentlichen Satz aus ihrer Kindheit ganz gut, der in der Regel vom Vater auf das Kind, meist den Sohn übertragen wird. Und irgendwann aus der Mutter heraus (in Form bedingter Anerkennung) übertragen wurde. Mütter bringen alle Menschen zur Welt, jedoch schenken sie den Kindern kein Leben. Das geschieht im Lebensprozess selbst.
Während der Mann nicht selten „Sohn“ bleibt und die Tochter nicht selten „Prinzessin“ später zur Königin gemacht wird – beide in der irrigen Vorstellung, das Liebe nur von außen kommen kann, später als „Söhne“ unterwegs und Prinzessinnen auf der Suche nach Liebe und Anerkennung. Sucht kommt von Suche.
„Und da es ja schon immer so war“, wird von Generation zu Generation ein „geistiger Virus“ weitergegeben, der aus im Geiste vereinten und vernunftbegabten Brüdern (der Mensch auf Augenhöhe, Primus inter pares = Erster unter Gleichen) willige Hörige und Unterwürfige macht – vereinfacht ausgedrückt.
Dabei kann sich der frei fühlende, jedoch fremdbestimmte Mensch womöglich 99,9999% wirklich frei bewegen, doch irgendwann erlebt er die 0,0001%, wo ein anderer über ihn bestimmt und so stellen sich die 99,9999% nur als Illusion heraus. Im Kern ist jener der über die 0,0001% des anderen bestimmt genauso unfrei, wie jener, der sich mit 99,9999% durchs Leben bewegt.
In der Realität drückt sich das gesellschaftlich-ökonomisch dramatischer aus: Nicht wertschöpfende Strukturen bestimmen über wertschöpfende Strukturen.
Jetzt versteht vielleicht so mancher, dass es nicht einfach damit getan ist, einfach nur „dagegen“ zu sein, sondern die Aufgabe darin liegt, das System grundsätzlich in Frage zu stellen.
Das ist auch der Grund, warum es in den Emails und auf dem Handy so unglaublich ruhig ist und sich so mancher „Lauthals“ zurückgezogen hat.
Denn wer von „Freiheit“ spricht, kommt für ihn stets jener Tag, wo er sich selbst seine „Besetzungen“ einzugestehen hat, an die er festzuhalten glauben „muss“, weil er ja „seine Existenz“ damit gesichert glaubt.
Der „Tag der Abrechnung“ oder auch: „das jüngste Gericht*“. Es sind keine anderen, die ihn vor Gericht zerren und ihm Schuld und Last auferlegen. Es ist jeder selbst für sich: selbstgerecht und selbstgerichtet.
Je mehr ihn seine beibehaltene Unvernunft hat Materie „besetzen“ lassen, desto schwieriger erscheint in ihm jener Moment – auch weil ihm selten das notwendige Selbstvertrauen fehlt. An dieser Stelle geht es um Mut, und alle Absichtserklärungen, Willensbekundungen, Wimmern, Klagen und sich beschweren, nützen ihm nichts. Was zählt, ist die Entscheidung.
Und nur er selbst kann sich für das Geschehene selbst vergeben oder damit fortfahren, es nicht zu tun.
Wie wichtig doch auf einmal das Verständnis für die Vergebung wird.
Vielleicht erkennt nun so mancher auch, „warum die Letzten, die Ersten sind“.
* Das jüngste Gericht heißt deshalb so, weil es ab dem Moment nach der Entscheidung und „Selbstrichtung“, rückblickend „jüngster“ Zeit stattgefunden hat und in einem selbst (im Sinne von nächstliegend“).