ZDF-Staatsvertrag ist verfassungswidrig
Dem ZDF fehlt es an Staatsferne: Das BVerfG erklärte darum die Bestimmungen des ZDF-Staatsvertrages zur Zusammensetzung von Verwaltungs- und Fernsehrat für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Der Vertrag verletze die verfassungsrechtlich garantierte Rundfunkfreiheit.
Die Organisation des ZDF wird durch den ZDF-Staatsvertrag geregelt, der als Art. 3 des Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31.08.1991 durch die entsprechenden Zustimmungsakte der Länder in Kraft gesetzt wurde. Zentrales Organ des ZDF ist der Intendant. Dieser leitet die Geschäfte der Anstalt und trägt die Verantwortung für das tägliche Programm. Die Tätigkeit des Intendanten wird beaufsichtigt durch den Fernsehrat und den Verwaltungsrat. Der Fernsehrat hat hierbei die Aufgabe, allgemein abstrakt formulierte Programmrichtlinien zu erstellen und die Einhaltung dieser Richtlinien zu überwachen. Der Verwaltungsrat überwacht insbesondere die geschäftliche Tätigkeit des Intendanten, er beurteilt den vom Intendanten aufgestellten Haushaltsplan und erlässt die Finanzordnung.
Bisherige Zusammensetzung der Gremien
Der Fernsehrat setzt sich aus je einem Vertreter der 16 Länder, 3 Vertretern des Bundes, 12 Vertretern der Parteien entsprechend ihrem Stärkeverhältnis im Bundestag, 5 Vertretern anerkannter Glaubensgemeinschaften, 25 Vertretern gesetzlich bestimmter Verbände sowie 16 Vertretern aus verschiedenen Bereichen des Gemeinwesens zusammen (§ 21 Abs. 1 ZDF-StV). Der Verwaltungsrat besteht aus 5 Vertretern der Länder, einem Vertreter des Bundes sowie 8 vom Fernsehrat gewählten Mitgliedern (§ 24 Abs. 1 ZDF-StV).
Stein des Anstoßes
Gegen diese Vorschriften haben die Länder Rheinland-Pfalz und Hamburg ein Normenkontrollverfahren angestrengt. Anlass war die Nichtverlängerung des Vertrages des ehemaligen ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender im Jahr 2009. Die damalige CDU-nahe Mehrheit des Verwaltungsrats nahm unter Führung des damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch massiv Einfluss darauf, dass der Vertrag des Chefredakteurs Brender nicht verlängert wurde. Koch setzte dies gegen die explizite Meinung des damaligen Intendanten des ZDF durch. Diese Einflussnahme ärgerte die SPD-geführten Bundesländer Hamburg und Rheinland-Pfalz so, dass sie ein Normenkontrollverfahren zur Überprüfung des ZDF Staatsvertrages angestrengten.
Verfassungsgericht kippt den ZDF-Staatsvertrag
Das Bundesverfassungsgericht hat unter Vorsitz des Vizepräsidenten Kirchhof eine eindeutige Entscheidung getroffen. Hiernach verletzen die angegriffenen Bestimmungen des ZDF-Staatsvertrages die grundrechtlich geschützte Rundfunkfreiheit, weil die Einflussnahme durch die Exekutive zu stark ist. Hierbei stellte das Verfassungsgericht wegweisende Grundsätze für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf:
- Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten am Gebot der Vielfaltsicherung auszurichten. Dies gebietet die nach Art. 5 Absatz 1 Satz 2 GG garantierte Rundfunkfreiheit.
- Der Gesetzgeber hat nach der Entscheidung dafür zu sorgen, dass bei Bestellung der Mitglieder von Fernseh- und Verwaltungsrat möglichst unterschiedliche Gruppen, und zwar sowohl die das öffentliche Leben bestimmenden großen Verbände als auch kleinere Gruppierungen Berücksichtigung finden und deren Perspektiven dort abgebildet werden.
- Der Vielfaltsicherung dient es auch, wenn der Gesetzgeber neben den Mitgliedern der gesellschaftlichen Gruppen auch Angehörige verschiedener staatlicher Ebenen einbezieht.
- Die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss als Ausdruck des Gebots der Vielfaltsicherung dem Gebot der Staatsferne genügen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der Einfluss der staatlichen und staatsnahen Mitglieder in den entsprechenden Gremien konsequent begrenzt wird.
- Zukünftig darf der Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitgliedern insgesamt ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen.
- Die Zusammensetzung der restlichen zwei Drittel der Gremien ist konsequent staatsfern auszugestalten.
- Auf die Auswahl der staatsfernen Mitglieder dürfen Vertreter der Exekutive keinen bestimmenden Einfluss haben. Hierfür muss der Gesetzgeber Inkompabilitätsregelungen schaffen, die die Staatsferne in persönlicher Hinsicht gewährleisten.
Richter Paulus wollte noch weitergehen
Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein abweichendes Votum des Richters Paulus beigefügt. Diesem gehen die in der Entscheidung gestellten Anforderungen an die Zusammensetzung der Gremien noch nicht weit genug. Nach Auffassung von Paulus konterkariert das Urteil geradezu die vom Verfassungsgericht gemachten Vorgaben der Vielfaltsicherung und der Staatsferne. Dass die Exekutive weiterhin auf die Zusammensetzung von einem Drittel der Gremien bestimmenden Einfluss ausüben kann, hält der Richter für nicht vereinbar mit dem vom Verfassungsgericht selbst aufgestellten Grundsätzen.
Späte Genugtuung für Brender
Den ehemaligen Chefredakteur Brender hat das Urteil sichtlich gefreut. Er sieht in dem Urteil einen wichtigen Grundstein für die Bewahrung der Rundfunkfreiheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.
Der Vizepräsident des Verfassungsgerichts Kirchhof ergänzte, das Urteil sichere, dass in Zukunft das öffentlichrechtliche Fernsehen sämtliche Meinungsfacetten der Gesellschaft umfassend widerspiegle und bewahre die Rundfunkanstalten davor, lediglich die Auffassung von Regierung und Exekutive unters Volk zu bringen Auch die Länder, die das Normenkontrollverfahren in Gang gebracht hatten, begrüßten die Entscheidung. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer wies allerdings darauf hin, dass die vom Verfassungsgericht gesetzte Frist zur Umsetzung des Urteils bis 30.06.2015 ausgesprochen knapp bemessen sei; in den Ländern mache man sich aber sofort an die Arbeit.
(BVerfG, Urteil v. 25. 3.2014, 1 BvF 1/11 und 1 BvF 4/11).
Quelle: Haufe Online Redaktion