Russischer Star-Moderator: „Merkel ist aus der Mode gekommen“ – Springerpresse tobt
Der Fernsehkanal Rossija 1 lieferte in der politischen Wochenschau am 29. Januar eine vernichtende Merkel-Kritik. BILD hyperventilierte. RT Deutsch gibt den Kommentar des russischen Medienmachers Nummer eins, Dmitri Kisseljow, im gesamten Wortlaut wieder.
von Dmitri Kisseljow
Es ist klar, dass Europa früher oder später jede Initiative, jeden Schritt eines US-amerikanischen Präsidenten in der einen oder anderen Weise nachvollziehen wird. Auch jetzt wird das nicht anders sein. So stehen zum Beispiel das Verhältnis zu den illegalen Migranten und die Mauer zu Mexico symbolhaft dafür, dass Trump keine ungebetenen Gäste akzeptiert. Und dann gibt es noch mehr: Etwa die Rückkehr der Produktion in die Grenzen des eigenen Nationalstaates oder die Weigerung, weiterhin Staatsstreiche in anderen Ländern zu unterstützen. Den Wunsch, zu Russland rationale Beziehungen aufzubauen.
Es ist klar, dass all diese Änderungen für die Europäische Union sehr schmerzhaft sein werden, weil sie die EU dazu zwingen werden, entweder die eigenen alten Prioritäten zu bewahren, diesmal aber im Alleingang, oder sich radikal zu verändern und um 180 Grad zu drehen.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel trifft dies hart, sogar persönlich. Sie will sich im kommenden Herbst zum vierten Mal wiederwählen lassen. Alles wäre gut, nur seit der Wahl Donald Trumps habe ich persönlich den Eindruck, dass Merkel rasch gealtert ist. Nein, ich bin weit davon entfernt, hier an dieser Stelle das für Frauen empfindlichste Thema anzurühren, ihre Falten oder ihre Frisur, das permanente Maß ihres Hosenanzuges.
Ich habe einfach das Gefühl, dass Merkel aus der Mode gekommen ist. Wie es im Französischen heißt: Sie ist démodée. Aus der politischen Mode. In diesem Sinne ist sie gealtert, genauer, veraltet, indem sie die Vergangenheit Deutschlands und Europas verkörpert und nicht die Zukunft. Dieser Eindruck von Merkel hat sich über eine längere Zeit hinweg herausgebildet, aber jetzt ist alles irgendwie offensichtlich geworden. Es scheint, dass sie schon alles getan hat, was sie konnte und sich im Endeffekt in eine Sackgasse manövriert.
In einem ihrer Auftritte Anfang der Woche hat sie sogar selbst eingestanden, dass eine neue Ära gekommen ist:
Ich glaube, dass jetzt, nach mehr als einem Vierteljahrhundert der Deutschen Einheit, ein historischer Abschnitt vielleicht durch einen neuen ersetzt wird. Nach 1990, nach dem Ende des Kalten Krieges, dachten wir: Das ist der Siegeszug der Freiheit; es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er den letzten Winkel der Welt erreicht hat. Das, was uns in Europa unmöglich erschien, passierte plötzlich. Das hat auch dazu geführt, dass ich heute hier vor Ihnen in einem wiedervereinten Deutschland stehen kann.
Im Ergebnis flutete Merkel Europa und die Europäische Union mit Migranten aus dem Nahen Osten und Nordafrika. In nur einem Jahr hat sie für dieses Projekt mehr als 20 Milliarden Euro ausgegeben. Es gibt keinen Ausweg aus dieser Situation, obwohl weder Deutschland noch die Europäische Union in diesem Geiste weitermachen können. Sackgasse.
Aber das Wichtigste sind nicht die Migranten. Der Hauptvorwurf an Angela Merkel besteht darin, dass sie die Politik ihrer herausragenden Vorgänger zunichtegemacht hat. Diese Politik hat es Deutschland einerseits erlaubt, sich zu vereinigen und andererseits auf friedlichem Wege die ganze Europäische Union auszubauen.
Diese Linie, deren Grundlagen Ende der 1960er Jahre Kanzler Willy Brandt gelegt hat, hieß deutsche Ostpolitik. Deren Sinn bestand darin, mit Moskau friedliebende Beziehungen nach dem Prinzip „Wandel durch Annäherung“ zu pflegen. Nach Brandt haben solche staatsmännische Titanen Deutschlands wie Egon Bahr, Helmut Kohl und Gerhard Schröder diese Ostpolitik weitergeführt. Sie haben verstanden, dass man ohne Wohlwollen Russlands kein einiges Deutschland und kein einiges Europa aufbauen kann. Als das einige Deutschland Wirklichkeit geworden war und sich die Europäische Union auf einem Höhenflug befand, wandte sich Merkel in außerordentlicher Undankbarkeit von Russland ab. Mehr noch: Sie begann im Verein mit den USA eine Politik zu betreiben, die gegenüber Moskau geradezu feindlich ausgerichtet war.
Analysiert man Merkels Wirken tiefer, dann erkennt man darin mit Leichtigkeit eine für Deutschland alte These wieder, nämlich die über einen Mangel an Lebensraum. Wir haben deren Folgen selbst schmerzlich erfahren dürfen, durch Hitler. Aber tatsächlich hatte man in Deutschland auch schon vor dem Ersten Weltkrieg von einem Mangel an Lebensraum gesprochen.Als mögliche Ressource, um diesen Mangel kompensieren zu können, galt ausgerechnet das Zentrum Europas. Vor mehr als hundert Jahren kam in Deutschland erstmals die These von Mitteleuropa im Bereich der politischen Theorie ins Spiel. Diese Idee hatte der politische Philosoph Friedrich Naumann ausformuliert. Der Sinn und Zweck dieser deutschen Überlegung lässt sich kurz und knapp in der Aussage zusammenfassen: „Alles, was nicht russisch ist, soll mitteleuropäisch werden.“ Und mitteleuropäisch bedeutet schlicht und einfach: deutsch.
Im Grunde genommen wird Mitteleuropa deutsch sein, für internationale Beziehungen wird es die deutsche Sprache benutzen. (Friedrich Naumann, Mitteleuropa, Petrograd, 1918, S. 69)
So einfach ist das. Der Drang nach Ausbreitung des eigenen Lebensraumes führte Deutschland in den Ersten Weltkrieg, dann in den Zweiten. Bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts hat Deutschland es geschafft, diese Erbkrankheit in seinem Inneren zu unterdrücken. Hinter den Kulissen hielt Merkel dies jedoch nicht mehr aus. Warum hinter den Kulissen? Weil sie nach außen immer laut verlautbarte, für „Demokratie, Frieden und die Unverletzlichkeit der Grenzen“ einzutreten. Aber während der Ära Merkel wollte Deutschland die Ukraine buchstäblich verschlucken, ganz konform mit der alten Konzeption Mitteleuropas und des eigenen Lebensraumes.
Da war der Teufel mit im Spiel. Noch im Februar 2014 trat Deutschland, vertreten durch seinen Außenminister Steinmeier, schriftlich als Garant für einen friedlichen Machtübergang in der Ukraine bis zu den vorgezogenen Wahlen ein. Kaum ein Tag war jedoch vergangen, da unterstützte es in Kiew de facto den blutigen Staatstreich, angeblich „im Namen Europas“.
Merkel – und heute ist das sonnenklar – frohlockte: Die Ukraine würde sie sich damit unter den Nagel reißen können. Schön, dachte sie, es lohnt sich also, auch weiter andere die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen. Diesen Part sollen Fremde übernehmen, zumal ja auch die USA die erste Geige bei dem Staatsstreich in der Ukraine gespielt haben.
Für Merkel war das bequem: Die Amerikaner erledigten die Drecksarbeit und trugen damit auch die moralische Verantwortung. Die Ukraine aber fiel ihr in den Korb wie eine reife Frucht, so sah es aus. Und am Ende bedankte sie sich bei den USA für alles. Ideal!
Aber was passiert jetzt? „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.“ Geht es hier um Barack Obama? Nein. Dieser Ausdruck des deutschen Klassikers Friedrich Schiller scheint vielmehr zu Merkel zu passen. Bei ihm war der Mohr derjenige, der half, den bewaffneten Aufstand zu organisieren. Für die neue Macht ist das aber nicht mehr nötig. Eine traurige Geschichte.
Jetzt wird aber Merkel selbst überflüssig. Braucht Deutschland von Angela Merkel überhaupt die Ukraine in ihrem jetzigen Zustand? Nein. Oder ist wenigstens die EU bereit, Merkel die Bürde abzunehmen, die Deutschland aus der Übernahme der Ukraine entstanden ist? Auch nicht. Die Beziehungen Deutschland zu Moskau? Schlimmer geht nicht mehr. Undank und ein Zugriff auf die Wiege der altrussischen Staatlichkeit waren die Antwort auf das Wohlwollen bei der deutschen Wiedervereinigung.
Und wie geht es der EU, die Merkel gesteuert hat? Schlechter als je zuvor. Ist innerhalb von Deutschland alles prima? Breiten wir über das Trauerspiel lieber den Mantel des Schweigens. Das alles lässt Merkel aber wie demodée aussehen, wie aus der Mode gekommen.
Und auch Präsident Trump hat sie ertappt: Deutschland sei als Schwarzfahrer im NATO-Zug unterwegs. Es war eigentlich vereinbart, für die NATO-Sicherheit nicht weniger als zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes auszugeben. Deutschland selbst zahlt das aber nicht und dient für die anderen als schlechtes Beispiel. Was Trump meint, ist hier zu sehen: NATO-Communique vom 4. Juli 2016 über den Verteidigungsetat der NATO-Staaten.
Geht man von den Militärausgaben, gemessen am Anteil des BIP aus, versteckt sich Deutschland ganz bescheiden in der zweiten Tabellenhälfte einer Liste aus 28 Ländern auf Platz 16. Damit landet Berlin irgendwo nach Albanien und vor Dänemark.
Gerade für Merkel, die sich so laut über das aggressive Russland beklagt, eigentlich nicht anständig. Ist das vielleicht ein Zeichen der Unaufrichtigkeit? Um die Amerikaner für die eigenen Abenteuer zahlen zu lassen? Genau das meint Trump: Wenn du glaubst, dass du bedroht wirst, stärke deine Verteidigung, wenn nicht, nutze nicht die anderen aus. Also auch hier steckt Merkel zusammen mit ihren NATO-Kumpeln in einer Sackgasse.
Quelle: Russia Today