Wie fühlt es sich an, eine Fledermaus zu sein? Bewusstsein, Realität, Wahrheit …
(Dr. Martin Bartonitz, 27. Februar 2012)
Nachdem wir hier fleißig den Begriff Bewusstsein benutzen und wir inzwischen erkannt haben, dass Jeder seine eigene Wahrheit aufgrund seiner Erfahrungen hat, wollte ich doch mal genauer nachschauen, was es denn mit dem Bewusstsein auf sich hat. Und da blieb mir glatt die Spucke weg, denn unsere ach so guten Wissenschaften können sich genau unser Bewusstsein nicht erklären, sprich es gibt noch die beiden offenen Probleme namens Qualia und Intentionalisierung. Also müssen wir uns gar nicht wundern, wenn auch heute noch viele Menschen das für wahr halten, was in so manchem heiligen Buch geschrieben steht? Oder in so manchem Geschichtsbuch von Besiegten?
In Wikipedia finden wir bzgl. Qualia, oder phänomenalem Bewusstsein:
Die gegenwärtige Debatte um Qualia fußt vor allem auf dem Aufsatz What is it like to be a bat? („Wie fühlt es sich an, eine Fledermaus zu sein?“) des Philosophen Thomas Nagel. … Er argumentiert nun, dass die Naturwissenschaften das Phänomen des Erlebens gar nicht erklären könnten. Schließlich seien die Wissenschaften in ihrer Methode auf eine Außenperspektive festgelegt, in der sich die Innenperspektive des Erlebens gar nicht fassen lasse. Nagel versucht seine Position mit einem berühmt gewordenen Beispiel zu illustrieren. Er fordert dazu auf, sich eine Fledermaus vorzustellen. Nun können wir, so argumentiert Nagel, bei so fremden Lebewesen zwar viele neurowissenschaftliche und ethologische Experimente durchführen und dabei auch einiges über die kognitiven Fähigkeiten einer Fledermaus herausfinden. Wie es sich jedoch für die Fledermaus anfühlt, etwa ein Objekt mittelsEchoortung zu lokalisieren, bleibe uns verschlossen. Nagel schließt aus diesem Beispiel, dass die subjektive Perspektive der Qualia nicht durch die objektive Perspektive der Naturwissenschaften zu erschließen sei.
Auch Leipnitz hatte klar gemacht, dass wir uns zwar das Gehirn noch so genau unter phyiskalischen oder biologischen Gesichtspunkten anschauen könnten, aber damit nicht rausfinden könnten, wie z.B. die Empfindung der Farbe rot zu erklären ist. Sprich, wir können unsere Bewusstwerdung nicht dingfest machen.
Und dann finden wir weiter auf Wikipedia zum Intentionalitätsproblem noch das Folgende:
Das Intentionalitätsproblem ist analog zum Qualiaproblem zu verstehen. Die grundlegende argumentative Struktur ist die gleiche. Auf Franz Brentano und seine Aktpsychologie geht die Einsicht zurück, dass die meisten Bewusstseinszuständenicht nur einen qualitativen Erlebnisgehalt haben, sondern auch intentional strukturiert sind. Das heißt, dass sie sich auf ein Handlungsziel beziehen [Anmerkung: ich friere also ziehe ich mir etwas Warmes an]. Ausnahmen sind Grundstimmungen wie Langeweile, Grundhaltungen wie Optimismus und etwa nach Hans Blumenberg auch Formen der Angst. Der Gedanke, dass Herodot Historiker war, bezieht sich etwa auf Herodot, und er ist aufgrund seines Bezuges wahr oder falsch.
In Bezug auf das Intentionalitätsproblem kann man die gleichen Lösungsvorschläge vertreten wie beim Qualiaproblem. Doch es gibt noch weitere Möglichkeiten. Man kann nämlich auch zu erklären versuchen, warum sich eine neuronale Aktivität auf etwas (etwa Herodot) bezieht. Die drei populärsten Vorschläge sind die folgenden:
- Jerry Fodor meint, dass sich ein neuronaler Prozess genau dann auf X bezieht, wenn er in einer bestimmten kausalen Relation zu X steht.
- Fred Dretske meint, dass sich ein neuronaler Prozess genau dann auf X bezieht, wenn er ein verlässlicher Indikator für X ist.
- Ruth Millikan meint, dass sich ein neuronaler Prozess genau dann auf X bezieht, wenn es die evolutionäre Funktion des Prozesses ist, X anzuzeigen.
All diese Lösungsvorschläge sind mit schweren Einwänden konfrontiert, und so halten viele Philosophen, etwa Hilary Putnam und John Searle, auch Intentionalität für nicht naturwissenschaftlich erklärbar.
Was sagt uns das nun zum Thema Bewusstseinserweiterung? Ich meine jetzt nicht jene, die man erfährt, wenn man entsprechende Drogen nimmt, sondern wenn neue Erfahrungen und Fakten das bisherige Weltbild verrücken? Die Vertreter des radikalen Konstruktivismus gehen so weit zu behaupten, dass es keine objektive Wahrheit geben könne. Auch hier ein Blick auf Wikipedia:
Der Radikale Konstruktivismus (RK) ist eine Position der Erkenntnistheorie, die sich deutlich von anderen Konstruktivismen unterscheidet. Die Kernaussage des radikalen Konstruktivismus ist, dass eine Wahrnehmung kein Abbild einer bewusstseinsunabhängigen Realität liefert, sondern dass Realität für jedes Individuum immer eine Konstruktion aus Sinnesreizen und Gedächtnisleistung darstellt. Deshalb ist Objektivität im Sinne einer Übereinstimmung von wahrgenommenem (konstruiertem) Bild und Realität unmöglich; jede Wahrnehmung ist vollständig subjektiv. Darin besteht die Radikalität (Kompromisslosigkeit) des radikalen Konstruktivismus.
Und damit wird es klar, wie schwierig es wird, zu einer objektiven Wahrheit zu kommen. Und wenn wir heute sehen, dass mit jeder weiteren wissenschaftlichen Erkenntnis mehr neue Fragen aufgeworfen als beantwortet werden, wird die Hoffnung auf die Frage nach dem Sinn des Lebens immer kleiner? (Gut, die Zahl 42, die ein Computer mal nach 1,5 Millionen Jahren ausgespuckt hat, wir es vermutlich nicht sein)
Aber eines dürfte jetzt zumindest sonnenklar sein: Ich muss jederzeit damit rechnen, dass mein aktuelles Weltbild, das sich mein Bewusstsein aufgrund meines bisherigen Lebens gebildet hat, anzupassen ist, sobald ich weitere für wahrer haltbare Fakten zu mir nehme.
Dass diese Art der Bewusstseinserweiterung von bestimmten Profitören der aktuellen Bewusstseinszustände nicht erwünscht ist, ist ebenso offensichtlich. Daher werden auch keine In-Form-ationen verbreitet, die unsere Bewusstseine in eine andere Form bringen könnten.
Aber was auch klar ist: Denken verbraucht viel Energie. Ganz viel Denken noch viel mehr. Und wessen Bewusstsein noch auf Höhe der herrschenden Meinung arbeitet, wird vor dem neuen Weltbild der schon Bewusstseinserweiterten heftigst zurückschrecken. Denn diese Bildtransformation übersteigt den Energiehaushalt um ein Vielfaches (-> Verschwörung). Daher ist vermutlich ein behutsames Vorbereiten besser geeignet. Krisensituationen wie die jetzigen mögen da ein wenig unterstützen können, oder?