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Dianetisches – oder: die Invertierung des L. Ron Hubbard

Lesezeit: ca. 7 Minuten

Die Tage hatte es mich mal wieder gepiekt. Heute bin ich endlich dazu gekommen und habe mir mal „Dianetik“ von L. Ron Hubbard näher angeschaut.

Bereits im Abriss findet man deutliche Anhaltspunkte, die auf eine konventionelle Weltsichtweise in Hubbards Ansatz hindeuten. Zunächst trennt er – wie dies Descartes bereits getan hat – die geistige von der materiellen Welt ab und reduziert den Menschen auf die Funktion des „Überlebens“ und seinen Verstand.

So existieren vereinfacht drei Gruppen von Menschen mit ihren Funktionen: die Auditoren, mit dem der – nennen wir ihn mal „Heilungswillige“ im Dialog seine Engramme (beengenden Denk- und Verhaltensmuster) durchlebt und löst und daraus erwächst.

Heraus kommen entweder ein „Clear“, das ist stark vereinfacht ausgedrückt eine Art freier und bewusster Mensch, dem die eigentliche Quelle psychosomatischer Krankheiten genommen(!) wurde oder ein „Release“, der – vereinfacht ausgedrückt – der Mehrheit seiner psychosomatischen Leiden befreit wurde – mit Hilfe(!) eines anderen.

Bleibt der Urmechanismus für die konditionierte Fremdsteuerung (gesellschaftlich anerkannte und kollektiv beibehaltene Fremdregulierung und damit verbunden die Methoden Belohnung und Bestrafung) unbetrachtet, so entstünde aus „Auditoren“ zu „Clears“ zu „Releases“ zunächst eine mentale und in der Organisation eine strukturelle Hierarchie.

„Clears“ und „Releases“ werden gemacht(!), sie entstehen nicht aus sich selbst heraus, was wiederum dem Betreuungsphänomen und der Vorstellung „andere“ würden einen befreien, zum ungeschriebenen Gesellschaftsvertrag führt.

„Der Mensch macht sich durch Verschiebung der Verantwortung selbst zum Sklaven und schafft sich so seine Herren, die ihm sagen was er zu tun hat.“

Im Kern unterscheiden sich gewohnte jedoch von Hubbard’schen Strukturen (Organisation und Ordnungsprinzipien) nicht wirklich. Denn solange man dem Menschen nicht darauf hinweist den Fokus auf die eigenen Verhaltensmuster seiner Manipulierfähigkeit zu legen, bleibt er in einer „Fremdregelung“.

Wenn man den Menschen als vernunftbegabtes Wesen einstuft – was nicht bedeutet, dass er bereits vernünftig zur Welt kommt, mag hierin das Bestreben (Entwicklung und Entfaltung) des Menschen liegen, sich nicht ausschließlich auf das materielle „Überleben“ zu konzentrieren. Und ein Verstand nutzt ihm dabei wenig, wenn die darin enthaltenen Werkzeuge nur zu gewohnten Weltanschauungen und Ergebnissen führen und das kombiniert mit einer Fremdsteuerung.

Die Metaphysik, also die Ebene universeller Betrachtung der Wirkmechanismen (Prozess- oder Prinzipebene)  hinter der materiellen Welt, wird bei Hubbard ausgeklammert und auf wissenschaftliche Beweiskraft reduziert. Also bekommt man mit dem bekanntem Wissen, wieder nur das was man kennt. Und verweilt so in der gewohnten Weltanschauung, wie wir sie bereits zur Genüge kennen.

Aus diesem Grunde kann man Hubbards Gedanken als üblichen Lernpfad der alten Weltordnung (Matrix, Hierarchie, Betreuung und Fremdsteuerung) erkennen. Innerhalb der Konventionen der Matrix mag es funktionieren. Denn dort unterliegt der „willige Mensch“ der willkürlichen Belohnung oder Bestrafung seiner Vorgesetzten und somit wieder nur den üblichen hierarchischen Strukturen und der Nutzung von Bewusstseinsunterschieden.

Da ist es verständlich, wenn auf der anderen Seite „aus dem System dagegen“ gewettert wird. Denn bewegen sich die Hubbard’schen Antagonisten ja auch innerhalb der alten Ordnung vordringlich äußerer Abhängigkeiten, die mit „Zuckerbrot und Peitsche“ geregelt wird, wo Wertschöpfungsarme bzw. -freie wieder nur viele wertschöpfende Anhänger benötigen, um ihre eigene Existenz als „Betreuer und Beschützer der Unvernünftigen“ rechtfertigen zu wollen.

Als „Aberrartion“ werden bei Hubbard jene Menschen bezeichnet, die fernab von vernünftigem Denken und Verhalten unterwegs sind, sich irren, Fehler machen oder unnütze Ideen haben. Die kennt scher jeder. Im Kern sind jedoch alles Wege der Erkenntnis, die man früher oder später verlässt.

Hubbards „Dianetik“ präsentiert sich hinweisend(!) als psychologisches System und Spiegel jenes noch existenten Systems, wo man die psychologischen Aspekte nur mehr subtil nutzt und die „braven und artigen“ Probanden, die Betrachtung ihrer eigenen, eigentlichen Schwachpunkte belohnt unterlassen.

„Mutti? Ich will souverän werden.“ „Das ist nichts für dich, mein Schatz. Wasch‘ dir rasch die Hände. Gleich gibt es Essen und Papa kommt gleich von der Arbeit.“

Engramme werden bei Hubbard im Sinne von Denk- und Verhaltensmustern verwendet, von denen es sich zu befreien gilt. Ein Grund mehr sich keinen Auditor zu suchen, sondern in die normale und alltägliche Selbstreflektion zu gehen. Dass diese Engramme – laut Hubbard – in einem selbst nicht zugänglich seien, lässt das Vorhandensein von Fremdeinwirkungen durch die Auditoren entstehen. Auditoren gibt es wie sand am Meer, es sind jene Menschen aus dem eigenen Umfeld – wichtig dabei ist das Bewusstsein zur Selbstreflektion.

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ Immanuel Kant

Positiv kann man Hubbard nachsagen, dass er einen wichtigen Hinweis auf die Psychologie des Menschen gibt und im Umkehrschluss – aus Sicht der Souveränität und des natürlichen Entwicklungsprozesses – die Notwendigkeit, sich mit den eigenen Denk- und Verhaltensmustern zu beschäftigen. Mir fällt gerade auf, dass dieser Satz auch gut das Prinzip des Umdenkens darstellt. Das man sich weiterhin selbst um die Hintergründe kümmern muss, bleibt weiterhin.