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Fachanwälte: UCC-Forderungen können durchaus vollstreckt werden – „Reichsbürger“ beschäftigt Brachttaler Gemeindeverwaltung

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BRACHTTAL – Er bezeichnet sich als „Reichsbürger gemäß RuSt AG. Angehöriger der Volksgemeinschaft nach Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes. Rechtsfähiger Mensch gem. § 1 BGB.“ So steht es geschrieben im Briefkopf, des an die Gemeindeverwaltung adressierten Schreibens. Verwaltungen, die sich mit „Reichsbürgern“ konfrontiert sehen, droht einiges an Ungemach. Das muss derzeit auch die Verwaltung in Brachttal erfahren.

„Reichsbürger“ hängen der höchst kruden Vorstellung an, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort und die Bundesrepublik sei verfassungs- und völkerrechtlich nicht existent. Ein Spinner also? Ganz so einfach ist es nicht. Das GelnhäuserTageblatt hatte jetzt Gelegenheit, den Schriftwechsel zwischen einem sogenannten „Reichsbürger“ und der Gemeindeverwaltung einzusehen. Anonymisiert, selbstverständlich. Denn in dem kleinen beschaulichen Dörfchen am Rande des Vogelsberges, lebt ein solcher „Reichsbürger“.

Und der macht der Verwaltung dort reichlich Ärger, kostet Zeit und damit auch Geld. „Wieso Gebühren an einen nicht existierenden Staat bezahlen?“, denkt sich ein „Reichsbürger“, morgens seine Post öffnend.

Bindung von Zeit und Geld
Nun sind die Verwaltungsmitarbeiter durchaus zu pragmatischem Denken fähig. Erst mal einen Blick in die Unterlagen werfen. Ergebnis: Der zahlungsunwillige „Reichsbürger“ hat bei anderen Gebühren überzahlt. Man verrechnet das also, und die Sache ist erledigt.

Der „Reichsbürger“ sieht darin allerdings eine „räuberische Unterschlagung“ des Sachbearbeiters, gar eine „Veruntreuung von Steuergeldern“ und wendet sich an die Hanauer Staatsanwaltschaft.

Und dann geht es los: Denn – so ist es in Deutschland geregelt – der Staatsanwalt muss nun mal ermitteln. Auch dann, wenn vor ihm ein „Reichsbürger“ steht. Eine Akte wird angelegt. Ein Polizeibeamter wird in Marsch gesetzt. Der Sachbearbeiter wird zur Sache gehört. Klar: Das alles wird natürlich niedergeschlagen. Doch der Schaden ist bereits angerichtet: Viele Arbeitsstunden – bei Staatsanwaltschaft, Polizei und in der Verwaltung – wurden für einen abstrusen Vorgang abgeleistet. All das kostet Geld und Verwaltungskraft. Alle Beteiligten haben eigentlich Besseres zu tun, als sich mit dem „reichsbürgerlichen Geschwurbel“ beschäftigen zu müssen.

Ein Einzelfall? Kaum. Wurde noch bis vor wenigen Wochen angenommen, es gäbe in ganz Hessen weit unter hundert Personen, die sich selbst als „Reichsbürger“ sehen, so hat der Hessische Verfassungsschutz jetzt die Zahl auf 400 korrigiert.

Und die können allerhand Behördenmitarbeiter zeitlich binden.

Wer tiefer in die Reichsbürger-Szene eintaucht, findet im wesentlichen drei Typen: Die einen sind die „Gewinnler“: Sie rufen sich selbst zur Herrscher des „Freistaates Preußen“ oder als „Kommissarische Reichsregierung“ aus, verdienen hiernach allerhand Geld mit der Ausstellung von „Reichspersonenausweisen“, „Reichs-Baugenehmigungen“ oder „Reichsfahrerlaubnissen“, die zuweilen in der „Reichsdruckerei“ hergestellt werden. Die anderen sind im Wesentlichen mehr oder weniger harmlose Querulanten, denen die moderne Welt zu komplex geworden ist und die sich lieber mit Verschwörungstheorien beschäftigen, oder deren Motivation ganz einfach darin besteht, Forderungen nicht begleichen zu wollen.

Die dritte Gruppe in der Anhängerschaft der zersplitterten „Reichsbürgerbewegung“ besteht aus Menschen, die ganz klar rechtsextrem eingestellt, zum Teil auch gewaltbereit sind. Auch eine gewisse Nähe mancher „Reichsbürger“ zur AfD kann festgestellt werden. Es passt ins Bild, dass der Brachttaler „Reichsbürger“ beim Plakatieren für die „Alternative“ beobachtet wurde, wie Bürger berichteten.

Und während es etwa in Brandenburg bereits ausführliche Handreichungen für Verwaltungsmitarbeiter gibt, die beschreiben, wie man mit „Reichsbürgern“ umgehen sollte, liegen in Hessen bisher nur ein Papier des Verfassungsschutzes und die Ausarbeitungen Einzelner vor: Der Steinauer Bürgermeister Malte Jörg Uffeln etwa hat seinen Mitarbeitern entsprechende Handreichungen mit auf den Weg gegeben. Es darf befürchtet werden, dass der Kampf der „Reichsbürger“ weitergeht.

Die „Malta-Masche“
Derzeit sorge in Verwaltungen die sogenannte Malta-Masche für Beunruhigung, wie der Brachttaler Kassenverwalter Thomas Rimkus erläutert: Einzelne „Reichsbürger“ ließen ihre (unbegründeten) Forderungen bei amerikanischen UCC-Registern, einer Art Pfandregister, eintragen, was ohne materielle Prüfung möglich sei. Diese Eintragung in der Hand, wendet sich der findige Reichsbürger nun nach Malta, tritt seine „Forderung“ an ein maltesisches Inkasso-Unternehmen ab, das nun versucht, eine Art Versäumnisurteil vor einem maltesischen Gericht zu erlangen. Fantastereien? Nein, ein solches Urteil könnte, wie Fachanwälte urteilen, durchaus in Deutschland vollstreckt werden…

Überschrift geändert: Staseve-Redaktion

Quelle: gelnhaeuser-tageblatt