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Von der Entnazifizierung zur Renazifizierung der Justiz in Westdeutschland

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(Klaus-Detlev Godau-Schüttke, 2001) „Die Entnazifizierung der westdeutschen Justiz ist mittlerweile Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen. Die Geschichtswissenschaft ist einhellig der Meinung, dass die von den Westalliierten initiierte und in Angriff genommene Entnazifizierung, die dann von den deutschen Behörden zunächst weiter durchgeführt, jedoch schließlich aufgegeben wurde, als gescheitert angesehen werden muss. Eigentlicher Streitpunkt ist, ob das Scheitern der Entnazifizierung eine Renazifizierung der Justiz zur Folge hatte. Gegner dieser These wenden ein, nach 1945 seien hochrangige NS-Juristen überhaupt nicht wieder eingestellt worden, und die durchgeführte Entnazifizierung dürfe nicht isoliert betrachten werden. Parallel dazu hätten nämlich die Westalliierten eine Politik der Reeducation betrieben.

Diese habe zur Integration der ehemals angepassten und opportunistisch gesinnten NS-Juristen in ein demokratisches Wertesystem geführt, zu dem sich ehemalige NS-Juristen auch bekannt hätten, die darüber hinaus ihren Beitrag zum Aufbau einer demokratischen Justiz erbracht hätten.

Demgegenüber vertritt der Verfasser einen gegenteiligen Standpunkt. Darauf hinzuweisen ist, dass der Begriff Renazifizierung von dem CDU-Politiker Paul Pagel – seit September 1950 Innenminister in Schleswig-Holstein – geprägt wurde. Als in Schleswig-Holstein 1951 die damals rechtskonservative Landesregierung (CDU, FDP, DP, BHE) die Entnazifizierung durch ein Entnazifizierungsschlussgesetz beendete, kam es zwischen der Regierung und der Opposition (SPD) zu heftigen Diskussionen, über die Pagel am 14. März 1951 in seinem Tagebuch notierte:

„Bis fast zwei Uhr haben nun die Leute geredet über das Entnazifizierungsgesetz […]. Die Argumente der Opposition erscheinen mir weit stichhaltiger als die der Regierungsparteien. Man kann mit Recht allmählich von einer Renazifizierung sprechen. Merkwürdig, wie selbstverständlich die alten Nazis auftreten und wie feige sie im Grunde sind, wenn man ihnen hart entgegentritt.“

Dieser Beitrag soll nicht die sich widerstreitenden Meinungen diskutieren, sondern die These von der Renazifizierung der westdeutschen Justiz skizzenartig belegen. Daher werden zuerst die Institutionen und Normen beschrieben, die Grundlage der Entnazifizierung waren. Als Folge der gescheiterten Entnazifizierung werden dann personelle und auch inhaltliche Kontinuitäten aufgezeigt, die die Renazifizierung der westdeutschen Justiz exemplarisch veranschaulichen. Dabei werden erstmalig auch Personalakten von Bundesrichtern ausgewertet, in die der Verfasser Einblick nehmen konnte.“

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